- Berlin
- Homeoffice
Müller will Firmen in die Pflicht nehmen
Unternehmen sollen künftig Corona-Testmöglichkeiten für Belegschaft zur Verfügung stellen
Appelle allein reichen nicht. Weil sich gezeigt hat, dass die Aufrufe an Unternehmen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken, noch zu wenig befolgt werden, will Berlin härter durchgreifen. »Ich verlange auch in den Betrieben von Erwachsenen das Einhalten von Wechselschichten«, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus. Schließlich seien solche Regeln, in wechselnden Gruppen vor Ort zu sein, im Schulalltag in Pandemiezeiten bereits seit Längerem selbstverständlich. Warum soll das im Arbeitsleben anders sein?
Berlin plant Verpflichtung für Homeoffice
Für die bislang freiwillige Homeoffice-Regelung könnte das zur Folge haben, dass Berlin als Bundesland einen eigenen Weg beschreitet. »Wir wollen in eine Verpflichtung gehen, was Homeoffice angeht«, erklärte Müller. Am kommenden Samstag will sich die rot-rot-grüne Senatsregierung zu einer weiteren Sondersitzung treffen, um Entscheidungen über das weitere Vorgehen in der Pandemie-Bekämpfung zu treffen.
Neben mehr Homeoffice will der Senat offenbar auch seine Teststrategie massiv ausweiten. »Wir werden die Testkapazitäten weiter ausbauen«, so Müller. Insgesamt 130 Teststationen gibt es mittlerweile in der Stadt, sie solle noch stärker für »niedrigschwellige« Angebote genutzt werden, um mögliche Infektionsherde mit dem Coronavirus schneller zu erkennen. Möglicherweise wird auch erwogen, vor einem Einkauf kurz zu testen. Auch im beruflichen Alltag soll das Testen Pflicht werden. Die Arbeitgeber sollen entsprechende Angebote für ihre Beschäftigten zur Verfügung stellen und diese Tests organisieren. Das würde neben Großunternehmen auch ein Handwerksmeister für seine drei Gesellen hinbekommen, meint der Regierende Bürgermeister. Über weitere Maßnahmen wie die Ausweitung der Maskenpflicht oder eine Steigerung der Maskenqualität hat sich Rot-Rot-Grün offenbar noch nicht abschließend verständigt. Auch eine weitere Flexibilisierung der Impfungen wird debattiert.
Klar ist: Nach dem Chaos der Beschlüsse zur sogenannten Osterruhe ist der große Verdruss in der Bevölkerung auch im Berliner Senat angekommen. »Auch ich habe dazu beigetragen, dass es diese Verunsicherung gibt – es tut mir leid«, räumte Müller selbstkritisch ein. Angesichts einer Sieben-Tage-Inzidenz von 118,2 und einer wieder steigenden Auslastung mit Covid-19-Patientinnen und -patienten in Berlin steht der Senat unter Zugzwang, die in dieser Situation eigentlich verabredete sogenannte Notbremse zu ziehen, die zuletzt zwischen dem Bund und den Ländern verabredet worden war. Berlin will, so der Senatschef, wolle auf jeden Fall seinen »abwägenden und besonnen Weg« weiter beschreiten. Ausgangssperren, wie sie andernorts verhängt wurden, will das Mitte-links-Bündnis vermeiden.
Der Ton im Parlament wird rauer
In der Debatte nach der Regierungserklärung zeigte sich, dass der Ton in den Diskussionen schriller wird. Die AfD schwadronierte gar von einem »Corona-Sozialismus« und forderte die Beendigung des Lockdowns. Von solchen Aussagen distanzierte sich auch die CDU. »Wenn ihr der Kurs der Kurs der Bundesrepublik gewesen wäre, dann hätten wir Hunderttausende von Toten«, sagte der Fraktionschef der Union, Burkard Dregger.
Die Linksfraktion forderte unterdessen, die Impfstoffproduktion zu erhöhen. Die Fraktionsvorsitzende Anne Helm sagte: »Das Profitinteresse der Pharmakonzerne darf nicht über dem Gesundheitsschutz stehen.« Die Patente müssten freigegeben werden.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.