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Karl Geiger fliegt zum Abschluss allen davon
Mit dem Skifliegen in Planica endet ein ganz besonderer Skisprungwinter mit einem weiteren Höhepunkt
Karl Geiger riss an der gigantischen Skiflugschanze von Planica staunend seinen Mund auf und sagte fassungslos: »Alter Schwede«. Auch am letzten Tag dieses langen Skisprungwinters schrieb der 28-Jährige weitere Kapitel eines schier unglaublichen Erfolgsmärchens. Nachdem er das deutsche Team am frühen Sonntagmorgen zum ersten Mannschaftssieg im Skifliegen seit 21 Jahren geführt hatte, holte sich der Oberstdorfer mit seinem zweiten Einzelsieg binnen 42 Stunden in Slowenien auch noch die kleine Kristallkugel für den Sieg im Skiflug-Weltcup. Als Krönung gab es 20 000 Schweizer Franken Extraprämie als Sieger der Gesamtwertung des Weltcupfinals obendrauf. »Grandios: Der Karl hat einfach alles gewonnen, was man gewinnen kann. Jetzt ist er endgültig raus aus seiner Position als Kleinschanzenspringer«, meinte Bundestrainer Stefan Horngacher grinsend.
Auch der im letzten Einzelfliegen auf Platz drei gelandete Markus Eisenbichler freute sich mit seinem Kumpel Geiger »über eine Supersaison für uns beide«. Vor allem wichtig: Das nach einem Innenbandanriss lädierte Knie von Eisenbichler hielt. Zur gleichen Zeit lief im Krankenhaus von Ljubljana die Aufwachphase des am Donnerstag schwer gestürzten Norwegers Daniel André Tande. »Er soll aus dem künstlichen Koma geholt werden. Die Verletzungen schauen ja nicht so dramatisch aus, aber wir alle sind noch im Schock«, berichtete Horngacher. Tande, der unmittelbar nach dem Sturz reanimiert werden musste, hat nach ersten Erkenntnissen einen Schlüsselbeinbruch und eine Lungenpunktur erlitten. Die ganze Skisprungfamilie hofft, dass keine bleibenden Schäden zurückbleiben.
Karl Geiger hatte den Sturz von Tande am Donnerstag live miterlebt und musste als erster Springer nach ihm die zweitgrößte Flugschanze der Welt herunterspringen. Umso höher einzuschätzen war die Leistung des »mental stärksten Athleten, den ich jemals trainiert habe«, wie Horngacher es anerkennend formulierte. Wenn es in diesem Winter wirklich drauf ankam, spielte Karl Geiger fast immer die erste Geige. Das begann mit dem sensationellen Einzel-Weltmeistertitel im Skifliegen im Dezember. Setzte sich nach überstandener Corona-Infektion bei der Vierschanzentournee mit dem Heimsieg in Oberstdorf und Platz zwei in der Gesamtwertung fort. Und fand mit insgesamt vier Medaillen bei der Heim-WM vor seiner Haustür - davon zwei Team-Gold nach überragenden Schlusssprüngen von Geiger - seine Krönung. Dazu wurde in diesem Winter noch Geigers erste Tochter Luisa geboren. »Der Mann ist einfach eine Maschine«, befand Teamkollege Pius Paschke.
Neben den Deutschen Geiger und Eisenbichler gab es in diesem außergewöhnlichen Skisprungwinter aber auch andere bemerkenswerte Siegertypen. Der Pole Kamil Stoch gewann die Vierschanzentournee zum dritten Mal, obwohl er nach einer vermeintlichen Corona-Infektion eines Teamkollegen fast nicht beim Auftaktspringen hätte starten dürfen. Sein Landsmann Piotr Zyla, der nach jedem Sprung immer wie einer Wahnsinniger schreit, krönte sich im stolzen Flieger-Alter von 34 zum ersten Mal zum Einzelweltmeister. Auch Stefan Kraft (Österreich) holte in Oberstdorf einen WM-Titel, nachdem er zuvor unter Corona und schweren Rückenproblemen gelitten hatte. Und dann war da noch die unglaubliche Erfolgsstory des Norwegers Halvor Egner Granerud. Noch im Frühjahr 2020 musste der Mann, der einst nackt von einer Schanze gesprungen war, wegen Erfolglosigkeit in einem Kindergarten jobben. Am Sonntag erhält er in Planica die große Kristallkugel für den Gesamtweltcup-Sieg.
Das unglaublichste Comeback in diesem Winter schrieb ganz sicher Severin Freund. Viele hatten den 32-Jährigen nach seiner unglaublichen Verletzungsserie mit einer Hüftoperation, zwei Kreuzbandrissen und latenten Rückenproblemen schon abgeschrieben. Doch der 32-Jährige wurde für seinen Kampfgeist belohnt. Bei seinem ersten WM-Auftritt seit sechs Jahren holte er in Oberstdorf Team-Gold. Zu den Gewinnern gehörten in diesem Winter auch die Flieger-Knien. Nach einer Regeländerung - die Keile in den Schuhen der Flieger wurden reglementiert und damit die Landung erleichtert - gab es deutlich weniger Kreuzbandverletzungen. Zahlreiche Corona-Infektionen und Tandes Horrorsturz trübten allerdings diese positive Entwicklung.
Auch der zweimalige Olympiasieger Andreas Wellinger hatte sich 2019 eine schwere Knieverletzung zugezogen. Im abgelaufenen Winter wollte das einstige Wunderkind wieder aufs Podest fliegen, doch das ging schief. Genau wie der einstige Überflieger Richard Freitag gab Wellinger nur kurze Gastauftritte im Weltcup und verpasste alle Saisonhöhepunkte. Jetzt hofft der 25-Jährige auf die kommende Olympiasaison. Horngacher weiß, worauf es ankommt: »Das Training für alle beginnt in einer Woche.«
Die deutschen Skispringerinnen, die beim Weltcupfinale in Russland einmal mehr enttäuschten, stürzten nach Jahren voller Goldmedaillen ab. Rekordweltmeisterin Carina Vogt kam wegen Knieproblemen nie in Form, es gab im Weltcup keinen einzigen Podestplatz. Bei der Heim-WM erklärte Bundestrainer Andreas Bauer nach zehn Jahren zudem seinen Rücktritt. Immerhin ging er mit Gold im Mixed-Wettbewerb - vor allem dank König Karl Geiger.
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