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Unter dem Königswappen für den »Säxit«
Widerstand gegen Corona-Maßnahmen bringt neues rechtes Sammelbecken in Sachsen hervor
Die Rede ist vom »Sächsischen Frühling«. In gut 30 Städten im Freistaat gab es an diesem Montag Proteste gegen die Coronapolitik von Bund und Ländern – und auch wenn unklar ist, ob und wie viele sie davon selbst organisiert hat: Die Partei »Freie Sachsen« sieht sich durch die angeblichen »Massenproteste« bestätigt. Bei dieser handelt es sich um ein neues Sammelbecken von Gruppen und Akteuren am äußersten rechten Rand, deren vordringlichstes Ziel ist, »Widerstand gegen die Corona-Zwangsmaßnahmen« anzufachen.
Die neue Partei wurde am 26. Februar in Schwarzenberg gegründet. Sie vereint etliche prominente Köpfe des extrem rechten Spektrums in Sachsen. Als Vorsitzender gewählt wurde Martin Kohlmann, seine Stellvertreter sind Stefan Hartung und Thomas Kaden. Kohlmann ist Anwalt und Stadtrat der bisherigen Bewegung »Pro Chemnitz«, die nun in der neuen Partei aufgeht. Er war verantwortlich für die eskalierte Demonstration im Sommer 2018 nach dem gewaltsamen Tod eines Stadtfestbesuchers, an deren Rand es zur Hetzjagd auf Migranten kam.
Der NPD-Mann Hartung wurde 2013 als Organisator der »Lichtelläufe« bekannt, die gegen ein Flüchtlingsheim in Schneeberg gerichtet waren und zu den ersten Vorboten der zuwanderungsfeindlichen Proteste in Sachsen rund um Pegida im Jahr 2015 gehörten. Nach deren Beginn träumte er davon, sie in einem »neuen Volksaufstand« zu vereinigen. Der von Hartung 2014 gegründete Verein »Freigeist e.V.« versuchte, rechtes Gedankengut unter dem Deckmantel erzgebirgischer Heimattümelei salonfähig zu machen und in der Kommunalpolitik zu verankern.
In der neuen Partei vereinigen sich derlei bekannte rechte Strömungen mit der Querdenken-Bewegung. Personifiziert wird der Schulterschluss in der Person des Plauener Busunternehmers Kaden. Dessen Firma organisierte mehrfach die Anreise von Teilnehmern zu Massendemonstrationen gegen die Corona-Politik, die teils in Ausschreitungen endeten. Kaden war in der Initiative »Honk for Hope« (Hupen für Hoffnung) aktiv; es soll aber zu Differenzen gekommen sein, nachdem er bei einer Demonstration der im Vogtland sehr aktiven Neonazi-Kleinpartei »III. Weg« gesehen wurde. Kaden hat angekündigt, er wolle bei der Oberbürgermeisterwahl im Juni in Plauen antreten.
Die neue Partei gibt sich nach außen hin als bürgerliche Sammlungsbewegung. Ziel sei es, unter einem »gemeinsamen Dach« die Kräfte bisher eigenständiger Gruppierungen zu bündeln, wobei »Doppelmitgliedschaften erwünscht« seien. Der Unmut über die aktuelle Politik zur Pandemiebekämpfung wird als Aufhänger für Kritik an der bundesrepublikanischen Ordnung, dem Föderalismus und der EU genommen; man wolle sich, so heißt es, »gegen dreiste Vorgaben aus Brüssel und Berlin« zur Wehr setzen. Dabei werden auch separatistische Positionen geäußert. Angestrebt werden mehr Autonomie und »notfalls der Säxit«, also die Herauslösung Sachsens aus der Bundesrepublik. Das Signet der neuen Partei, die den Namen einer ab 2007 existierenden Wählervereinigung aufgreift, ist das königlich-sächsische Wappen.
Wie viel Gewicht die Partei bekommt, ist offen. Ähnliche rechte Splitterparteien, wie sie in Sachsen immer wieder gegründet wurden, verschwanden in der Regel schnell wieder. Die »Freien Sachsen« verfügen freilich schon jetzt über etliche Sitze in Kommunalparlamenten. Eine Petition im Vorfeld der Gründung brachte es zudem auf 18 000 Unterstützer. Der Verfassungsschutz warnt vor einem »Zusammengehen« von Querdenkern, Corona-Protestlern und Rechtsextremisten, »was wir so in Sachsen bislang nicht hatten«. Beobachter weisen auch auf Überschneidungen mit der Reichsbürgerszene hin. Die Linksabgeordnete Kerstin Köditz sieht in der Partei ein »neues Auffangbecken« für Rechtsextreme aller Art. Zur Alternative für Deutschland (AfD) pflegt diese offenbar ein eher distanziertes Verhältnis. So wäre jedenfalls ein Slogan zu deuten, der bei der Gründungsveranstaltung am Rednerpult zu lesen war: »Alternative zu Deutschland«.
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