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Wölfe haben Schafe zum Fressen gern
Ein neues Bundeszentrum »Weidetiere und Wolf« in Eberswalde soll Konflikte im Zusammenleben entschärfen
Wo Wölfe auf Nutztierhaltungen treffen, sind Konflikte absehbar. Sie zu entschärfen und sich besser auf Gefahren einzustellen, gehört zu den wichtigsten Vorhaben des neuen »Bundeszentrums Weidetiere und Wolf« in Eberswalde (Barnim). Die Einrichtung wurde am Mittwoch durch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) eröffnet.
Wo in Deutschland sollte man sich mit Canis lupus, dem Wolf, und den Problemen, den er in seiner Nachbarschaft lebenden Menschen bereitet, besser auskennen als in Brandenburg. Im Jahr 2007 wurde nach jahrzehntelanger Abwesenheit im Südosten des Landes die erste territoriale Ansiedlung eines Wolfspaares registriert. Inzwischen ist Brandenburg das wolfsreichste Bundesland - auf »deutlich mehr als 300 Wölfe« bezifferte 2020 der Wolfsbeauftragte des Landesbauernverbandes (LBV) den Bestand. Und mit vom Land 2018/2019 bewilligten »Ausgleichszahlungen für 409 nachweislich vom Wolf gerissene Nutztiere« beschrieb er auch eines der sensibelsten Konfliktfelder im Kontakt mit dem auf freier Wildbahn lebenden Räuber.
Nach Angaben des Naturschutzbundes (Nabu) Brandenburg gab es mit Stand 30. April 2020 im Land 47 feste Rudel, die immer wieder für Ärger mit Tierhaltern sorgten. »Der Nabu versucht, die Akzeptanz unter den Landnutzern und in der Bevölkerung zu steigern, damit Wölfe in Brandenburg eine Zukunft haben«, teilt Verband mit.
Das von Ministerin Klöckner neu gegründete Bundeszentrum geht auf eine parlamentarische Initiative der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD zurück. 300 000 Euro hat das Agrarministerium eigenen Angaben zufolge für dessen Einrichtung am Standort Eberswalde bereitgestellt. Seine Aufgabe sei es, praxisgerechte Lösungen und Möglichkeiten der Koexistenz von Weidetieren und Wolf zu erarbeiten und Konflikte zu verringern. Die Ansiedlung erleichtere vor allem auch die Einbeziehung der wissenschaftlichen Kompetenzen des in Eberswalde tätigen Thünen-Institutes für Waldökosysteme - insbesondere zum Herdenschutz.
Nach Einschätzung des Bundeslandwirtschaftsministeriums ist die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland ein Erfolg des Artenschutzes. Doch alle drei bis vier Jahre verdoppele sich der Wolfsbestand, wie es heißt. Offiziellen Angaben zufolge wurden im Monitoringjahr 2019/2020 insgesamt 128 bestätigte Rudel, 35 Paare und zehn territoriale Einzeltiere bundesweit bestätigt. Immer häufiger würden daher auch Wolfsrisse registriert. Die Anzahl von verwundeten und getöteten Tiere sei von 40 Tieren im Jahr 2006 auf rund 2900 Tiere im Jahr 2019 angestiegen, teilte das Bundesministerium mit. Mit 86 Prozent überwiegen dabei Angriffe auf Schafe und Ziegen. Doch auch die Zahl der tot aufgefundenen Wölfe sei binnen eines Jahres um 60 Prozent gestiegen - 126 Totfunde seien gemeldet worden, meist nach Verkehrsunfällen, aber eben auch durch illegale Tötungen.
»Wölfe und Nutztiere - beide haben Anspruch auf Schutz. Und deshalb darf die Rückkehr des Wolfs nicht dazu führen, dass die Weidetierhaltung in einigen Regionen Deutschlands infrage gestellt wird«, erklärte Klöckner am Dienstag in Eberswalde: »Wir brauchen sie für die Pflege und Erhaltung unserer Kulturlandschaften. Sie steht außerdem für eine nachhaltige Nutztierhaltung, die von der Gesellschaft akzeptiert ist.« Die drastische Zunahme der Wolfsangriffe trotz aller Herdenschutzmaßnahmen verunsichere die Menschen.
Brandenburgs Agrarminister Axel Vogel (Grüne) begrüßt das neue Zentrum. Aus seiner Sicht bündele es die bisherigen Erfahrungen im Herdenschutz und ergänze die Arbeit des Wolfsinformationszentrums und der Herdenschutzstelle im Wildpark Schorfheide in Groß Schönebeck. Die dringend notwendige länderübergreifende Einrichtung könne Weidetierhalter beim wolfssicheren Herdenschutz unterstützen. »Wir erwarten für die Zukunft, dass somit bundesweit einheitliche Kriterien für die Zucht, die Haltung und die Ausbildung von Herdenschutzhunden sowie für die Schulungen von Weidetierhaltern entwickelt werden, wie wir sie in Brandenburg bereits etabliert haben.«
Als Teil der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) erhält das Zentrum für 2021 und 2022 jeweils 300 000 Euro. »Wir schaffen eine Plattform, die praxisgerechte Lösungen entwickelt - inklusive Angaben zu Kosten und Fördermöglichkeiten. Wir setzen dabei auf die Kooperation mit den Bundesländern und ihre Erfahrungen aus regionalen Beratungsstellen«, sagte BLE-Präsident Hanns-Christoph Eiden.
Die Linke warnt vor Symbolpolitik. »Seit zehn Jahren fordert die Linke ein Herdenschutz-Kompetenzzentrum«, sagte Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin. »Dass Bundesagrarministerin Julia Klöckner nun ein ›Bundeszentrum Weidetiere und Wolf‹ eröffnet, ist ein längst überfälliger, dringend notwendiger Schritt zur Unterstützung der Weidetierhaltung.« Angesichts der Herausforderung aber ein viel zu zaghafter mit zu wenig Geld. »Wer wirklich helfen will, muss die Forschung voranbringen sowie eine unabhängige, bundesweit zugängliche Informations- und Beratungsstruktur bereitstellen, offene juristische Fragen klären und einen bundesweit einheitlichen Rechtsanspruch auf eine bedarfsgerechte finanzielle Unterstützung beim Herdenschutz und für den Schadensausgleich schaffen«, so Tackmann.
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