Herr Korte von der CDU

Etliche Berliner Konservative drängt es zum Betongold - eine einträgliche Nähe.

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 6 Min.

Nun hat die Maskenaffäre auch die Berliner CDU erreicht. Zurückgetreten ist am vergangenen Montagabend Niels Korte - allerdings nur von seiner Bundestagsdirektkandidatur in Treptow-Köpenick. Korte, Jurist und Unternehmer, soll in der ersten Pandemiewelle im April 2020 laut Medienberichten von Maskengeschäften profitiert haben. Über das Immobilienunternehmen Areal Invest XXXI. Grundstücksgesellschaft mbH wurde mit dem Bund ein Vertrag über die Lieferung von knapp 20 Millionen FFP2-Schutzmasken geschlossen - für 4,63 Euro das Stück. Es war das berüchtigte sogenannte Open-House-Verfahren (für alle Bewerber offen) von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Korte verdiente sein Geld zuvor unter anderem als Anwalt mit sich auf bestimmte Studiengänge einklagenden Studierenden und über seine Holding Umamea UG als 40-prozentiger Anteilseigner der Areal Invest XXXI. Grundstücksgesellschaft mbH. Doch das Masken-Geschäft, bei dem rund 90 Millionen Euro Umsatz winkten, war wohl zu verlockend. Laut der Zeitung »Welt« hatte der geschäftstüchtige Politiker per E-Mail direkt Kontakt zu Minister Jens Spahn aufgenommen, um an die Vergabeunterlagen heranzukommen. Zudem soll er CDU-Abgeordnetenhausmitglied Maik Penn um Hilfe gebeten haben.

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Auf seinem Facebook-Profil erklärte Niels Korte am späten Montagabend, die Behauptung, er habe »politische Kontakte für unlautere Geschäfte genutzt« sei »unwahr, rufschädigend« und er »weise sie entschieden zurück«. Um »weiteren Schaden von meiner Partei abzuwenden«, ziehe er jedoch die Bundestagskandidatur zurück. »Auch werde ich nicht auf der Landesliste der CDU kandidieren«, so Korte weiter.

Der Berliner CDU-Generalsekretär Stefan Evers verschickte zeitgleich eine Presseerklärung. Er habe die Ankündigung Kortes »mit großem Respekt zur Kenntnis genommen«, erklärt Evers, der Kandidat unternehme »diesen Schritt aus freien Stücken«. Dieser handele »aus Verantwortung für unsere Partei und ihre mehr als 13 000 Mitglieder, die sich leidenschaftlich für das Gemeinwohl engagieren«. Die Berliner CDU bleibe entschlossen, »nach fünf Jahren ideologisch getriebener Politik von Rot-Rot-Grün die großen Chancen unserer Stadt für alle Berlinerinnen und Berliner zu nutzen«.

Bekanntlich sieht die Berliner CDU das Gemeinwohl der Hauptstädter unter anderem durch den Mietendeckel gefährdet. Bedroht sind vor allem die Immobilienwerte, denn dauerhaft geringere Aussichten auf Mieteinnahmen lassen auch diese sinken.

Die Areal Invest XXXI. Grundstücksgesellschaft, an der Niels Korte beteiligt ist, gehört zu einer ganzen Reihe von Immobilienunternehmen, die laut Handelsregistereinträgen eine Gemeinsamkeit haben: Geschäftsführer ist meist Jens Kirsch. Zusammengebunden scheint das Konvolut in der Areal Group Wealth Management GmbH, deren Mit-Geschäftsführer ebenfalls Kirsch ist. Laut Homepage gehört die »Inwertsetzung von sanierungsbedürftigen Altbaubeständen« zu den Spezialitäten der Gruppe. Das wird woanders auch weniger fein als Verdrängung bezeichnet. Im Portal Immobilienscout24 bietet die Areal Group einige Häuser zum Verkauf an. Für 1,8 Millionen Euro ist ein Altbau an der Frankfurter Allee, direkt an der Rampe der autobahnartigen Lichtenberger Brücke als »Invest« zu haben. Das entspricht fast 3000 Euro für jeden der 610 Quadratmeter vermietbarer Fläche in alptraumhafter Lage. Ähnliche »Perlen« sind an der Reinickendorfer Residenzstraße, am Mariendorfer Damm oder an der Berliner Allee in Weißensee zu vergleichbaren Preisen im Angebot.

Niels Korte - der ein Anhänger des beinharten Neoliberalen Friedrich Merz ist - und ursprünglich aus dem nordrhein-westfälischen Arnsberg stammt, ist bei Weitem nicht der einzige Berliner CDU-Politiker, der im Immobiliengeschäft mitmischt. Die linksparteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung arbeitet an einem Dossier dazu.

Der Wohlhabendste unter ihnen dürfte der Steglitz-Zehlendorfer Bundestagsabgeordnete und ehemalige Berliner Justizsenator Thomas Heilmann sein. Zu seinen zahlreichen Firmenbeteiligungen gehört auch die Berliner Häuser KG, die Immobilien in mehreren Bezirken hält. Auf eine Anfrage des »nd«, ob Heilmann denn Politik und Geschäft immer trennen könne, antwortet sein Vermögensverwalter Jochen Beutgen, der auch CDU-Vorsitzender im brandenburgischen Angermünde ist: »Seit etwa neun Jahren verwalte ich sein Vermögen. Herr Heilmann konzentriert sich seitdem auf seine Funktionen als Politiker und lässt deswegen sein Vermögen vollständig fremd verwalten.« Heilmann sei »stets ein besonders vehementer Befürworter der bundesweiten Mietpreisbremse in seiner strengsten Form«. Vom Mietendeckel sei der Bundestagsabgeordnete wirtschaftlich kaum betroffen. Heilmann halte das Gesetz jedoch »für verfassungswidrig und die Wohnungsnot fatal vergrößernd«, so Beutgen.

Auch der Tempelhof-Schöneberger Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak fiel bei Treffen der Immobilienwirtschaft immer wieder durch Ankündigungen auf, rechtliche Verschärfungen zugunsten von Mietern nicht mittragen zu wollen. Zuletzt bei der Frage nach Aufteilungen von Mietshäusern in Eigentum. Seine Beschäftigung als Rechtsanwalt bei der Großkanzlei Hengeler Mueller, die unter anderem die Abwicklung großer Immobiliendeals betreut, soll aber keinen Einfluss darauf haben. »Mein Arbeitsbereich bei Hengeler Mueller ist das öffentliche Wirtschaftsrecht. Mandate mit immobilienwirtschaftlichem Bezug betreue ich keine«, so Luczak auf nd-Anfrage. »Viele Vorschläge für mehr Regulierung klingen auf den ersten Blick gut, verhindern aber im Ergebnis das, was wir am dringendsten benötigen: den Bau von neuen Wohnungen«, begründet der Abgeordnete, warum er »entschiedener Gegner des Berliner Mietendeckels« sei.

Auch eine Etage tiefer ist die Berliner CDU tief verwoben mit der Wirtschaft. Abgeordnetenhausmitglied Adrian Grasse ist Vice President Head Office Berlin der Siemens AG, die mit der Siemensstadt 2.0 die immobilienwirtschaftliche Verwertung nicht mehr benötigter Werksflächen in Spandau betreibt. Fraktionskollege Dirk Stettner war oder ist mit verschiedenen Gesellschaften an mehreren Projekten in Weißensee und auch im nördlichen Berliner Umland beteiligt.

Auch in den Bezirken ist die Baulobby präsent. Wie bei Christoph Brzezinski, dem Vizechef und Stadtentwicklungsexperten der Charlottenburg-Wilmersdorfer CDU-Fraktion. Er arbeitet als Anwalt in der Kanzlei Malmendier Legal, laut »Hauptstadtmagazin« ist sie »für das Planungs- und Baurecht erste Adresse bei großen Bau- und Infrastrukturvorhaben in der Hauptstadt«. Er bringe die in seinem Beruf gewonnenen Erfahrungen »gerne in die Arbeit des Stadtentwicklungsausschusses ein, so wie viele meiner Ausschusskolleginnen und -kollegen dies mit ihren beruflichen Erfahrungen als Architekten, Ingenieure, Juristen et cetera ebenfalls tun«, erklärt er auf nd-Anfrage. Es könne »in seltenen Einzelfällen zu Interessenüberschneidungen zwischen beruflicher und ehrenamtlicher Tätigkeit kommen«, räumt er ein. In einem Fall habe er deswegen an entsprechenden Beratungen und Entscheidungen nicht teilgenommen, da der »Eindruck einer Interessensüberschneidung jedenfalls nicht auszuschließen gewesen wäre«.

Die Bauwirtschaft ist wiederum mit Manja Schreiner direkt im Landesvorstand der Berliner CDU vertreten. Sie ist seit 2018 Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg.

Und dann ist da noch die Sache mit den Spenden. In zwei Tranchen spendete der Projektentwickler Christoph Gröner im vergangenen Jahr der Berliner CDU insgesamt 800 000 Euro. Über mehr als 430 000 Euro Zuwendungen vom Bauunternehmer Klaus Groth konnten sich die Berliner Christdemokraten in den letzten Jahren freuen. Beim Berliner Projekt »Neulichterfelde« profitierte er direkt von der Entscheidung der Steglitz-Zehlendorfer Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU), den städtebaulichen Vertrag mit ihm noch am 31. Juli 2018 zu schließen. Es war der letzte Tag, bevor laut dem Berliner Modell die Sozialwohnungsquote von 25 auf 30 Prozent heraufgesetzt worden ist. Der niederländische Projektentwickler Harry von Caem ließ der Lichtenberger CDU 60 000 Euro zukommen. Er entwickelt gleich drei Großprojekte im Bezirk - aber das ist sicher auch ein Zufall.

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