Neue Debatten beim DFB

Die Lehren aus der Niederlage gegen Nordmazedonien. Von Frank Hellmann

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist kein Aprilscherz, dass sich Joachim Löw an einem der spannendsten Spieltage dieser Bundesligasaison seine ganz persönliche Osterruhe gönnt. Der Bundestrainer wird weder in Leipzig beim Topspiel gegen den FC Bayern, noch in Dortmund beim Verfolgerduell gegen Eintracht Frankfurt oder in Berlin beim Stadtderby Union gegen Hertha sein. Dafür sei er »nicht eingeteilt«.

Laut Planung ist eine Präsenz erst nach den Feiertagen vorgesehen: Bayern gegen Paris St. Germain, Viertelfinale, Champions League. Anwesenheit in der Münchner Arena am kommenden Mittwoch ist Pflicht, denn Löw kann schauen, ob Thomas Müller auch ohne Robert Lewandowski gegen ein französisches Topteam funktioniert. Eine bessere Blaupause könnte es nicht geben: Dass Deutschland zum Auftakt der EM gegen Weltmeister Frankreich wieder mit Rückkehrer Müller antritt, ist für Fans wie Experten eigentlich schon beschlossen. Löw ziert sich noch mit der Entscheidung, will weiter bis Mai warten. Der 61-Jährige ahnt womöglich, dass auch ein Allesmacher wie Müller kein Allheilmittel für schludrige Chancenverwertung sein wird. Genau wie Mats Hummels nicht das schlampige Verteidigen auf Knopfdruck beendet.

Die Nationalmannschaft steckt augenscheinlich in einer tieferen Krise, als dass zwei reaktiverte Weltmeister alles wieder richten könnten. Es kann herrlich darüber gestritten werden, ob eine 0:6-Abreibung in der Nations League gegen ein so talentiertes Team wie Spanien schlimmer ist als eine 1:2-Blamage in der WM-Qualifikation gegen eine so limitierte Mannschaft wie Nordmazedonien. Beides sind Tiefpunkte von historischer Dimension. Der vierfache Weltmeister Deutschland verfolgt nach aktuellem Tabellenstand einen ganz eigenen Boykott des umstrittenen Turniers in Katar. »Auf keinen Fall dürfen wir jetzt völlig den Glauben verlieren an die Stärke, die die Mannschaft hat. Auf keinen Fall dürfen wir auch das Gefühl verlieren, dass wir in der Lage sind, ein sehr gutes Turnier zu spielen«, sagte Löw flehentlich. Spötter entgegnen, dass der Südbadener diesen Glauben exklusiv hat. Seinen in Kopf und Beinen trägen Spielern empfahl der Trainer, sich nicht »irgendwelche Alibis zu suchen«, sondern sich Gedanken zu machen, »was können wir verbessern?« Gleiches sollte aber auch für ihn gelten.

Zitterspiele um die Zulassung zur WM kann der krisengeschüttelte Deutsche Fußball-Bund (DFB) am allerwenigsten gebrauchen. Ungeachtet aller Machtkämpfe sollte die Führungsspitze dringend besprechen, ob es ab Sommer nicht mehr braucht als nur einen neuen Bundestrainer. Sich auf die Beförderung des Menschenfängers Stefan Kuntz zu verständigen, erzeugt am wenigsten Reibung, aber eine solche Lösung hinterfragt womöglich nicht, was grundsätzlich rund um die DFB-Auswahl schiefläuft. Ist der im Kern mal zur WM 2006 zusammengestellte Stab wirklich noch in allen Teilbereichen auf der Höhe der Zeit?

Noch immer wäre Ralf Rangnick sofort bereit, gleich auch das Umfeld respektive Nachwuchsförderung oder Trainerausbildung zu reformieren. An seiner Eignung als Fußballlehrer kann es keine Zweifel geben, weil sich fast ein halbes Dutzend erfolgreicher Bundesligatrainer an ihm orientiert hat. Dass der Schwabe unbequem, aufsässig, penibel ist, darf kein Ausschlusskriterium sein. Wenn der für die Nachfolgesuche zuständige Oliver Bierhoff mit dem derzeit auf Mallorca weilenden Rangnick nur Alibi-Gespräche führt, um danach mitzuteilen, dass man auf keinen gemeinsamen Nenner kommt, kann man es auch gleich bleiben lassen. Wenn der Bundestrainer jetzt sagt, er würde in den nächsten Wochen alles noch mal überprüfen, muss das auch für den Direktor Nationalmannschaften gelten.

Die offenkundigen Defizite liegen in Löws Verantwortungsbereich. Eine taktische Änderung mit dem aus der Viererkette vorgeschobenen Robin Gosen genügte, um gegen Nordmazedonien das gesamte Defensivgebilde zu destabilisieren. Bei den jungen Anführern Joshua Kimmich und Leon Goretzka war der Kräfteverschleiß unübersehbar. Die fehlende Frische hat der Trainer verschuldet: Neun der zehn Feldspieler standen in drei Partien binnen sieben Tagen in der Startelf. Wo Löw in der Nations League zu viel rotierte, wechselte er in der WM-Qualifikation zu wenig. Unglücklich wirkte der Umgang mit Timo Werner. Aus dessen Umfeld gab es einiges Unverständnis über die wenige Einsatzzeit bis zum dritten WM-Qualifikationsspiel, wo der eingewechselte Angreifer vom FC Chelsea prompt eine hundertprozentige Chance verstolperte. Löw verortete in dieser Situation »einen Knacks« für seine Mannschaft. Die nordmazedonischen Medien ernannten Werner am Tag danach zum »Ehrenbürger«. Solche Huldigungen hat der Bundestrainer hierzulande längst verspielt.

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