Halbherzig gegen die Klimakrise

In Frankreich gibt es viel Protest gegen das geplante Klimaschutzgesetz

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit vergangener Woche diskutieren Frankreichs Parlamentarier in der Nationalversammlung über ein neues Klimagesetz. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass das mit viel Spannung und großer Hoffnung erwartete Gesetz für Klima und Energiesicherheit viele Wünsche offen lassen wird. Dabei sollte es eigentlich die klima- und umweltpolitischen Vorschläge des von Präsident Emmanuel Macron einberufenen Bürgerforums umsetzen. Doch von den 149 Vorschlägen, die das Gremium nach einer neun Monate langen Beratung machte, übernahm Macron nur drei. Auch müssen die diversen Lobbyverbände in den vergangenen Monaten sehr aktiv gewesen sein. Denn in dem 69 Paragrafen langen Gesetz kommen die Forderungen der Bürger kaum noch vor.

Dabei soll das neue Gesetz alle Bereiche des täglichen Lebens betreffen, von der Industrieproduktion und anderen Formen der Arbeit über Transport und Wohnungswesen bis zur Ernährung und dem Konsumverhalten der Menschen. Beispielsweise soll im Interesse einer verbrauchernahen und artgerechten Landwirtschaft der Zweckentfremdung von Ackerboden ein Riegel vorgeschoben werden. Dabei soll verhindert werden, dass in Frankreich weiterhin Jahr für Jahr riesige Flächen an Boden versiegelt werden. Da andererseits großer Bedarf an bezahlbarem Wohnraum besteht, sollen Neubauten künftig nur noch im Rahmen schon vorhandener Siedlungen entstehen und diese verdichten.

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Im Verkehrswesen soll der besonders umweltbelastende Flugverkehr eingeschränkt werden, indem Inlandsflüge zwischen Städten verboten werden, die mit der Bahn innerhalb von zwei Stunden erreicht werden können. Dabei war zunächst eine Grenze von drei Stunden vorgeschlagen worden, aber das hätte nahezu den gesamten Inlandflugverkehr betroffen. Um den Gütertransport stärker von der Straße auf die Schiene umzulenken, sollen die Regionen das Recht bekommen, die als »Ökosteuer« bezeichnete Lkw-Maut für Nationalstraßen, deren landesweite Einführung 2013 nach heftigen Protestaktionen aufgegeben wurde, für ihr Territorium neu zu beleben. Ein weiterer Fokus liegt auf staatlichen Fördermaßnahmen für die energetische Sanierung älterer Wohngebäude. Doch auch hier wurden viele weitergehende Vorschläge aus Kostengründen nicht übernommen.

Die Idee, Plastikflaschen für Wasser und andere Getränke durch Pfandflaschen aus Glas zu ersetzen und dafür ein landesweites Rücknahmesystem aufzubauen, fiel ganz unter den Tisch. Stark umstritten ist hingegen, dass in allen Betriebs- und Schulkantinen täglich mindestens ein vegetarisches Gericht angeboten werden soll, dessen Produktion weniger CO2-Emissionen verursacht als eine Fleischmahlzeit.

Um die ökologisch fragwürdige Flut von Werbeprospekten einzudämmen, ist geplant, dass Prospekte für zunächst drei Jahre nur noch in Briefkästen eingeworfen werden dürfen, auf denen ein Etikett klebt, das dies ausdrücklich erlaubt. Andererseits wurde die Forderung nach einem Werbeverbot für besonders klimaschädliche Autos nicht berücksichtigt, was mit den Arbeitsplätzen in der Autoindustrie begründet wird. Solche Halbheiten und Inkonsequenzen ziehen sich durch das ganze Gesetz. Es sollte »möglichst ausgewogen« sein, rechtfertigt sich die Regierungspartei La République en Marche (LREM), die den Gesetzentwurf im Parlament verteidigt. »Wir wollen eine fortschrittliche Umwelt- und Klimapolitik, die aber nicht das Wirtschaftswachstum zerschlägt«, erklärte der LREM-Abgeordnete Jean-René Cazeneuve bei der Vorlage des Gesetzentwurfs im Plenum der Nationalversammlung. Zuvor waren in den Kommissionssitzungen fast alle ergänzenden Vorschläge der Grünen und anderer Oppositionsparteien abgeschmettert worden.

Im ganzen Land kam es vor dem Beginn der Parlamentsdebatte zu Demonstrationen. Insgesamt 110 000 Menschen nahmen an den von 650 verschiedenen Organisationen organisierten Kundgebungen teil - ein absoluter Mobilisierungsrekord der französischen Klimabewegung. Die Aktivisten forderten eine »echte Umwelt- und Klimapolitik«, die weit über die Halbherzigkeit des Gesetzesvorschlags hinausgeht. Zudem warnten sie davor, dass das auf dem Pariser Klimagipfel 2015 verkündete Ziel, bis 2030 Frankreichs Klimagasemissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken, mit derart zusammengeschusterten Zielvorgaben vermutlich weit verfehlt wird.

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