- Berlin
- Anzeige gegen Adbusting-Aktivisten
Über Polizei lachen macht es schlimmer
Beamte stellen Anzeige gegen Adbusting-Aktivisten, weil sie beleidigt worden sein sollen
»Rechtsbrecher*in« steht auf dem kleinen selbstgemachten Schild in Pfeilform, das ein Aktivist der Kommunikationsguerillagruppe »Polizei abschaffen« bei einer Pressekonferenz hochhält. Der Pfeil zeigt auf Polizeibeamte, die den Medientermin vor dem Landeskriminalamt (LKA) am Platz der Luftbrücke Anfang Dezember 2020 beobachten. Denn es geht um das sogenannte Adbusting, das satirische Verfremden von Werbeflächen.
Dann soll auch noch gelacht worden sein
Was war letzte Woche noch mal wichtig in Berlin? Plop und Zisch! Aufgemacht! Der Podcast „Rote Brause“ liefert dir alle wichtigen News aus der Hauptstadtregion in nur 15 Minuten.
Nach dem Willen der Berliner Polizei soll die Aktion nun ein juristisches Nachspiel haben. Die Szene mit dem Pfeil, der auf die Ordnungshüter zeigt, sei von Pressevertretern fotografiert worden, heißt es in der Anzeige, die von fünf am Einsatz beteiligten Polizisten gestellt worden ist. Eine Beleidigung, wie deren Dienstherr findet. »Ein Polizeibeamter hat jederzeit für die demokratische Gesellschaft einzutreten und ist ein Garant für Recht und Ordnung. Dieses falsche Bild eines Polizeibeamten, welches durch die Pressevertreter weit in die Öffentlichkeit getragen werden kann, hat die Beamt*innen sehr in ihrem Ehrgefühl verletzt und stellt ein deutlich falsches Bild der Polizei Berlin dar«, erklärt der zuständige Polizeikommissar in der Anzeige.
Erschwerend kommt für die Anzeigesteller*innen hinzu, dass bei der polizeikritischen Aktion gelacht wurde. So heißt es in der Anzeige über die Person, die das inkriminierte Schild hochhielt: »Hierbei lachte er mehrere Male und ging immer wieder zu den Kollegen.« Dass es die Polizist*innen mit ihrer Anzeige ernst meinen, zeigt der Hinweis, dass für sie eine Einstellung gegen eine Entschuldigung nicht akzeptabel wäre, »da die eingesetzten Beamten mit Straftätern auf eine Ebene gestellt wurden und dies mit völliger Absicht des Beschuldigten erfolgte«.
Ausdrücklich betont wurde in der »nd« vorliegenden Anzeige, dass das Anbringen eines polizeikritischen Plakats in der Werbevitrine vor dem Sitz des LKA nicht strafbar ist und daher nicht dagegen ermittelt werde. Tatsächlich ist es bei dem Pressetermin gar nicht so weit gekommen.
Hausdurchsuchungen wegen Lappalien
Die Gruppe »Polizei abschaffen« wollte mit ihrer Pressekonferenz darauf aufmerksam machen, welchen Verfolgungseifer die Sicherheitsbehörden beim Adbusting an den Tag legen, obwohl viele Gerichte keine Strafwürdigkeit erkennen können. »Darum geht es bei einer Pressekonferenz«, kommentierte Barbara Jendro von der polizeikritischen Gruppe.
Die Staatsanwaltschaft Berlin stellte mehrmals klar, dass es nicht strafbar ist, wenn man eigene Poster in Werbevitrinen hängt. Trotzdem kommt es weiterhin zu umfangreichen Ermittlungen des LKA. So wurden bereits DNA-Spuren von Beschuldigten genommen. Zudem kam es zu Hausdurchsuchungen gegen Personen, die des Adbustings verdächtigt werden. Tatsächlich wurde über solche Methoden 2020 nicht mehr berichtet. Nun wird also wegen Beleidigung ermittelt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.