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Zu Hause gegen die Heimat

Kingsley Coman trifft mit den Bayern auf seinen Jugendverein Paris St. Germain

  • Maik Rosner, München
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Meldung kam nicht überraschend. Allenfalls der Zeitpunkt der Nachricht von Jérôme Boatengs Abschied am Saisonende nach zehn Jahren beim FC Bayern verblüffte etwas, so kurz vor dem Hinspiel im Viertelfinale der Champions League gegen Paris Saint-Germain an diesem Mittwoch. Dass der Innenverteidiger im Sommer kurz vor seinem 33. Geburtstag gehen muss, wie das Fachmagazin »kicker« unter Verweis auf einen angeblichen Beschluss des Aufsichtsrats berichtete, hatte sich schon länger abgezeichnet. Offiziell bestätigt wurde diese Personalie zwar noch nicht, doch das ist wohl nur eine Frage der Zeit. Und wenn es schlecht für Boateng läuft, wird er sich im Mai nicht einmal von den Fans verabschieden können. Es ist davon auszugehen, dass es bis dahin bei Geisterspielen bleibt.

Seit mehr als einem Jahr spielen auch die Münchner ohne Zuschauer in ihrer Arena. Das führte jüngst zu einem ungewohnten Bild mit Kingsley Coman. Mit einem Pinsel hockte er über einem Plakat, hinter ihm lag eine Malerrolle, neben ihm stand ein Farbeimer. Im aktuellen Vereinsmagazin »51« ist das Foto des französischen Flügelspielers im Heimwerkerambiente abgedruckt, verbunden mit Grüßen an die ausgesperrten Anhänger. Wer den QR-Code scannt, sieht das PR-Video, in dem Coman auf Deutsch sagt: »Liebe Fans, ihr seid die wahren Champions.« Kurz nach ihm sagt Mitspieler Javier Martínez: »Ihr habt München zu meiner Heimat gemacht.«

Letzteres trifft inzwischen auch ein wenig auf Coman zu. Der 24-Jährige lebt seit fast sechs Jahren in München. Seine Heimat wird seine Geburtsstadt Paris bleiben, wo er aufwuchs und bis zu seinem 18. Geburtstag für Saint-Germain kickte. Doch zu Hause ist Coman mittlerweile an der Isar, allein schon, weil er das letzte Viertel seines jungen Lebens hier verbracht hat. Im Hinspiel tritt er nun also zu Hause gegen seinen Heimatverein PSG an, am kommenden Dienstag folgt in Paris das Auswärtsspiel in seinem Heimstadion.

Es gehört zu Comans besonderer Geschichte, dass es der jüngste Vergleich mit Paris war, der den flinken Dribbler beim FC Bayern so richtig ankommen ließ. Im Finale der Champions League gegen PSG am 23. August 2020 erlebte Coman seinen größten Münchner Moment, nachdem ihn Trainer Hansi Flick überraschend von Beginn an aufgeboten hatte. Noch verblüffender geriet, dass Coman in der 59. Minute nach Joshua Kimmichs Flanke das Tor zum 1:0-Sieg mit einem Kopfball erzielte, obwohl ihm Kopfbälle ein Graus sind. Davon kündeten auch seine geschlossenen Augen. »Ich bin sehr glücklich, ein unglaublicher Abend«, sagte er nach dem Titelgewinn.

Es ist dieses Tor, das viel verändert hat für Coman. Seit jener Nacht von Lissabon wirkt seine Spielweise stabiler und selbstbewusster. In der Hinrunde war er plötzlich die Nummer eins auf den Flügeln vor Serge Gnabry, Königstransfer Leroy Sané und Leihspieler Douglas Costa. Wie der Brasilianer war auch Coman 2015 von Juventus Turin als Leihkraft zu den Bayern gekommen, ehe er 2017 für 21 Millionen Euro fest verpflichtet wurde - als Kronprinz der langjährigen Flügelkönige Franck Ribéry und Arjen Robben.

Inzwischen ist die Thronfolge vollzogen, mit Coman, genannt King, in einer Hauptrolle. Wenn er in dieser Saison in der Champions League eingesetzt wurde, dann stets von Beginn an. Auch in der Bundesliga kommt er unter den Münchner Flügelflitzern auf die meisten Startelfeinsätze. Die Konkurrenten holen aber auf, zuletzt standen Gnabry und der verbesserte Sané verstärkt im Fokus. Der zweitbeste Torvorlagengeber im Kader ist nach Thomas Müller (18) aber noch immer Coman mit insgesamt 13 Assists. Gegen Paris wäre es kein schlechter Zeitpunkt für eine weitere gefahrbringende Aktion vom Franzosen in Münchner Diensten. Vielleicht ja im Zusammenspiel mit dem wahrscheinlichen Ersatz für den verletzten Robert Lewandowski: Eric Maxim Choupo-Moting, dem anderen ehemaligen Pariser im Bayern-Kader. Zumal der andere Ersatzkandidat Gnabry beim Abschlusstraining am Dienstag fehlte.

Kurz nach Comans Malerei gab es die Nachricht, er habe ein Angebot abgelehnt, seinen bis 2023 datierten Vertrag um drei Jahre zu verlängern. Die Meldung fügte sich ins Bild von seiner immer auch etwas komplizierten Münchner Geschichte. An einen Abschied dachte er schon mehrfach, nach häufigen Verletzungen sogar ans Karriereende. Am Ende blieb Coman aber stets in seinem zweiten Zuhause. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bezeichnete ihn ohnehin schon als »unverkäuflich«. Bliebe Coman bis 2026, wäre er dann elf Jahre in München gewesen. Länger als Jérôme Boateng.

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