Verwöhnte Diva

  • Sven Goldmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Am vergangenen Sonnabend durfte Neymar da Silva Santos Júnior mal wieder mitspielen, zum ersten Mal nach knapp zweimonatiger Verletzungspause. Aber eine richtig schöne Einstimmung war es nicht für diesen Mittwoch, für das bevorstehende Gastspiel in München. 0:1 verlor Paris Saint-Germain im Spitzenspiel der Ligue 1 gegen den OSC Lille. Neymar fiel nur einmal auf, kurz vor Schluss, als er bei einem Gerangel ein wenig zu heftig rangelte und sich die Gelb-Rote Karte abholte.

Das Magazin »France Football« machte sich am Tag danach lustig über das »verwöhnte Kind« aus Brasilien, es ist jetzt ja auch schon 29 Jahre alt und möge doch bitte ein bisschen reifer werden, am besten schon am Mittwoch in München. Für die Pariser geht es im Viertelfinalhinspiel der Champions League darum, eine missratene Saison noch ein wenig aufzuhübschen. Und das ausgerechnet gegen die Bayern, die PSG bei der Schlussvorstellung im europäischen Fußballzirkus im vergangenen Sommer mit 1:0 besiegt hatten.

Zirkus Europa
Früher schlicht Pokal der Landesmeister genannt, ist die Champions League heute inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Ein Blick auf den kommenden Spieltag.

Doch in Paris verbinden sie mit den Münchnern nicht nur schlechte Erinnerungen. Vor allem Neymar denkt sehr gern zurück an sein erstes Spiel im blau-roten Trikot gegen den deutschen Rekordmeister. Damals, im September 2017, kurz nach seinem Wechsel aus Barcelona nach Paris, beendete er in München eine Ära, die noch gar nicht richtig begonnen hatte.

Bayerns Trainer hieß damals Carlo Ancelotti - ein in sich ruhender Genussmensch, der zuvor dreimal die Champions League und Titel in allen großen Ligen gewonnen hatte. Cristiano Ronaldo und Zlatan Ibrahimovic schwärmen noch heute von dem Italiener wie sonst nur von sich selbst. In München war die Zahl seiner Fans überschaubar, und nie war das über den Kreis der Eingeweihten hinaus so offensichtlich wie im September 2017 im Vorrundenspiel der Champions League bei Paris Saint-Germain.

Ancelotti ließ im Prinzenpark nicht nur seine Abwehrchefs Mats Hummels und Jerome Boateng draußen. Sondern auch die Flügelstürmer Franck Ribéry und Arjen Robben, zwei Individualisten, die der Pariser Spielfreude ein Münchner Äquivalent entgegensetzen konnten. Das klappte nicht ganz. Die Bayern wurden über den Platz gejagt wie zuletzt im Frühling 2015, bei einem desaströsen 0:4 daheim gegen Real Madrid. Sie verströmten die Aura eines untergehenden Imperiums, stolz und ohne Möglichkeit, den logischen Lauf der Dinge aufzuhalten. Eine Mannschaft von gestern, überfordert von der Gegenwart. Vorgeführt von einem Klub, den sie in München eigentlich gar nicht als satisfaktionsfähig betrachten, weil er seine Erfolge ausschließlich dem aus der Wüste herbeigekarrten Geld verdankt. Ja, da war nichts organisch gewachsen rund um den Prinzenpark, aber es reichte an diesem Abend für Fußball auf einem Niveau, das für die Bayern zu hoch war.

Auf der Gegenseite war es der große Abend des Neymar da Silva Santos Júnior. Die Diva aus Sao Paulo bereitete die ersten beiden Tore von Dani Alves und Edinson Cavani vor und schoss das dritte selbst. 3:0 siegten die Franzosen, sie spielten der Münchner Abwehr Knoten in die Beine und Karl-Heinz Rummenigge Schlaufen in den Kopf. In einer seiner gefürchteten Bankettreden sprach der Münchner Vorstandschef von einer bitteren Niederlage, »über die es zu reden gilt, die zu analysieren ist und aus der wir in Klartextform Konsequenzen ziehen müssen«.

Ancelotti wusste, wie das mit den Konsequenzen gemeint war und dass seine Tage gezählt waren. Ein halber blieb ihm noch, dann verkündeten die Bayern das Ende seiner nur 17 Monate währenden Ära. Es übernahm, erst mal wieder, Jupp Heynckes, dann Niko Kovac - ein weiteres Münchner Missverständnis. Im Herbst 2020 folgte Hansi Flick. Und es begann eine neue Erfolgsgeschichte, mit dem bisherigen Höhepunkt im Sommer 2020: der Sieg im Champions-League-Finale von Lissabon. Gegen Paris Saint-Germain.

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