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Linke im Visier von Neonazis
Polizei prüft rechten Hintergrund von Brandstiftung in linkem Hausprojekt in Spandau
Im Fall der Brandstiftung in einem linken Hausprojekt in der Jagowstraße in Spandau hat der für politisch motivierte Kriminalität zuständige Staatsschutz im Landeskriminalamt die Ermittlungen übernommen. Das teilte ein Sprecher der Polizei auf nd-Anfrage mit. Zuvor hatte es Vermutungen gegeben, dass es sich um einen Brandanschlag von Neonazis handeln könnte, da das Haus in der Vergangenheit mehrfach Ziel rechter Aktivitäten geworden war.
Unbekannte zündeten Sperrmüll an
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag vergangene Woche hatten Unbekannte gegen drei Uhr im Treppenhaus des Hausprojekts zwei Sofas und einen Tisch angezündet. Das Feuer konnte von den Bewohner*innen gelöscht und ein Übergreifen auf den Rest des Hauses verhindert werden bevor die alarmierte Feuerwehr eintraf. Ein 21-Jähriger, der über dem in Brand gesetzten Bereich wohnt, versuchte sich mit einer Leiter in Sicherheit zu bringen und fiel dabei aus dem ersten Stock. Er und eine weitere Person mit einer Rauchvergiftung wurden ins Krankenhaus gebracht.
Die Polizei prüft nun einem möglichen Zusammenhang mit Einschüchterungsversuchen durch Neonazis. »Im Februar 2021 wurden im Zusammenhang mit dem gleichen Tatort Schmierereien festgestellt, die eine rechtsextremistische Konnotation zum Inhalt hatten«, so ein Polizeisprecher. »Inwieweit ein Tatzusammenhang zwischen dem Brand und den Schmierereien besteht, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen.« Allerdings konnten laut Polizei bislang keine Hinweise auf den oder die Täter erlangt werden, auch zur Tatmotivation lägen derzeitig keine belastbaren Anhalte vor.
Drohungen durch Neonazis
Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) hält einen rechtsextremen Hintergrund der Tat durchaus für möglich. »Das betroffene Hausprojekt war in der Vergangenheit wiederholt mit rechtsextremen Anfeindungen konfrontiert und wurde unter anderem durch die gesprühte Parole ›Arbeit macht frei‹ markiert und dadurch bedroht«, sagte Kerstin Kuballa vom MBR auf nd-Anfrage. Auch wenn Spandau kein Schwerpunkt rechtsextremer Strukturen sei, seien auch dort rechtsextreme Aktivitäten zu beobachten. Deshalb sei nicht auszuschließen, dass es im Bezirk Rechtsextreme gebe, »die nicht davor zurückschrecken, Menschen in ihrem beruflichen und privaten Umfeld anzugreifen«, so Kuballa weiter. »Wer eindeutig Haltung zeigt, wie diese Projekte, aber auch ihre Bewohner*innen und andere aktive Engagierte, gilt Rechtsextremen als Feindbild und wird dafür bedroht und angegriffen.«
In der Vergangenheit waren in Berlin mehrere linke Hausprojekte Ziel rechter Brandanschläge, unter anderem das Anton Schmaus-Haus in Neukölln sowie das »Tuntenhaus« und das »Bandito Rosso« in Prenzlauer Berg sowie das Thomas-Weisbecker-Haus in Kreuzberg im Juni 2011. In derselben Nacht wurde auch versucht, das Geschäft »Red Stuff« in Kreuzberg anzuzünden.
Rechte Brandanschläge keine Seltenheit
Aus einer Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der Linke-Abgeordneten Anne Helm und Niklas Schrader, die »nd« vorliegt, geht hervor, dass Neukölln weiterhin einen Schwerpunkt rechter Aktivitäten darstellt. Neben vermehrten Schmierereien und Graffiti von Neonazis, ordnete die Polizei im vergangenen Jahr fünf von insgesamt 76 Brandstiftungen an Autos in dem seit Jahren von einer rechten Terrorserie erschütterten Bezirk dem Bereich rechter Kriminalität zu. Insgesamt wurden zwischen März 2020 und März 2021 155 rechte Straftaten in Neukölln registriert. Darunter auch schwere Delikte wie versuchte Brandstiftung einer Flüchtlingsunterkunft, Einwerfen der Fensterscheiben eines Buchladens, rassistische Beleidigungen und Angriffe auf Migrant*innen sowie zahlreiche Bedrohungen gegen Politiker*innen.
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