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Strikt antifaschistisch
Verein Opferperspektive eröffnet Beratungsbüro in Cottbus
»Kannst Du schreiben, dass in Cottbus kein Bürgerkrieg ausgebrochen ist? Dann würden sich alle wieder beruhigen.« Diese Bitte wurde an den Journalisten Mohamed Amjahid herangetragen, als er 2018 in die Stadt reiste und im Einkaufszentrum Carl-Blechen-Carré recherchierte. Dort hatte es zuvor gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen gegeben. Amjahid berichtet davon am Montagabend bei der Eröffnung eines Büros der Opferperspektive.
Der Verein hilft in Cottbus schon lange von Diskriminierung Betroffenen und Opfern rechter Gewalt. Darunter waren, um nur ein Beispiel zu nennen, auch die linksalternativen Jugendlichen, die Himmelfahrt 2016 am Badesee von Branitz von einer Horde Fußballfans des FC Energie Cottbus rassistisch attackiert worden sind. Vor fast genau einem Jahr kam es endlich zum Prozess gegen einen 25-Jährigen, der beschuldigt wurde, an dem Angriff beteiligt gewesen zu sein. Nach so langer Zeit sahen sich die Zeugen und die Opfer aber nicht mehr in der Lage, ihn als einen der Männer zu identifizieren, die 2016 zugeschlagen hatten. Der Richterin blieb mangels Beweisen nichts anderes übrig, als ihn freizusprechen. Elisabeth Strauch von der Opferperspektive bedauerte, dass auch deshalb niemand für die Tat büßen muss, weil es so lange bis zum Prozess gedauert hat.
Zuletzt hat sich die Lage in Cottbus etwas gebessert. Von 130 rechten Angriffen, die im Jahr 2020 in Brandenburg verübt worden sind, entfielen zwölf auf Cottbus. Damit steht die Stadt nicht mehr an der Spitze. In der Uckermark hat es nämlich 18 Übergriffe gegeben und in Potsdam 15.
Zu tun gibt es aber leider auch in Cottbus nach wie vor genug. Hier gibt es jetzt eine Anlaufstelle für die von rechter Gewalt und Diskriminierung Betroffenen - das Büro der Opferperspektive in der dritten Etage des Alten Stadthauses am Altmarkt 21.
»Wegen der anhaltenden Kontaktbeschränkungen können wir derzeit nur per Telefon und Video beraten. Wir hoffen, dass sich dies bald ändert«, sagt Mitarbeiter Marcus Reinert. Im Moment war es daher auch nicht möglich, die Eröffnung des Büros vor Ort zu feiern. Stattdessen gab es eine Veranstaltung per Videokonferenz. 100 Teilnehmer schalteten sich zu, darunter Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne).
Ihr für Gesundheit und den Verbraucherschutz zuständiges Ressort hat gegenwärtig mit Corona, Afrikanischer Schweinepest und Vogelgrippe so viel um die Ohren, dass der Aufgabenbereich Integration in den Hintergrund gerät, wie die Ministerin bekannte. Doch der Termin war ihr wichtig - und sobald das Büro besucht werden kann, möchte Nonnemacher persönlich vorbeischauen. »Gerade in Cottbus ist es so wichtig, dass ihr da mit einem Büro vertreten seid«, meinte die Ministerin. 78 Prozent aller rechten Übergriffe des vergangenen Jahres in Brandenburg waren rassistisch motiviert. »Das ist erschreckend und besorgniserregend«, urteilte Nonnemacher. Man habe seit dem Jahr 2016 erkennen müssen, dass die Gesellschaft hier immer noch ein Problem habe. »Rassismus fängt im Kopf an. Die Sprache ist verräterisch.« Nonnemacher forderte, aufzustehen und einzuschreiten, wenn man Diskriminierung an der Ladenkasse oder in der Straßenbahn beobachtet. Es helfe vielleicht schon, wenn die Betroffenen sich nicht alleingelassen fühlen.
Nonnemacher erlebte selbst einmal eine solche Situation. Sie sei mit dem Bus von Falkensee nach Potsdam gefahren, erzählte sie. An einer Haltestelle an einem Flüchtlingsheim sei eine junge Frau eingestiegen. Der Busfahrer habe sich vor der Asylsuchenden aufgebaut und sie wegen des Fahrscheins so lange angeschrien, bis die junge Frau weinte. Nonnemacher mischte sich damals ein.
Geflüchtete können jedoch auch versuchen, sich gegenseitig zu unterstützen. Darum gründeten Menschen aus verschiedenen Staaten im Jahr 2017 in Cottbus ein Netzwerk, um beispielsweise Kundgebungen zu organisieren und so auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Mohammad Ali von der Selbsthilfeorganisation Geflüchteten-Netzwerk Cottbus sagte am Montag: »Wir gratulieren dem Team der Opferperspektive herzlich zur Eröffnung ihres Büros und hoffen auf gute Zusammenarbeit.«
Den Großteil des Programms an diesem Abend bestritt mit einer Lesung aus seinen Büchern »Unter Weißen« und »Der weiße Fleck« der Journalist Amjahid. Er empfiehlt seinen Lesern: »Wählen sie strikt antifaschistisch!« Das sei mit verschiedenen anderen politischen Ansichten durchaus kompatibel. Wenn man keine Erbschaftssteuer oder kein Tempolimit auf der Autobahn wolle, könne man immer noch Antifaschist sein.
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