Mehr Partei von unten

Neue Initiative will in der brandenburgischen Linken für Bewegung sorgen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

In Ostprignitz-Ruppin ist der Kreistagsabgeordnete Hartmut Winkelmann aus der Linkspartei ausgetreten. »Linke Politik ist mein Zuhause, aber nicht mehr die Partei«, hat er erklärt. Die Linke habe die Bodenhaftung verloren und vergessen, wessen Interessen sie eigentlich vertreten sollte: die der arbeitenden Menschen und der Arbeitslosen.

In Oberhavel ist Steffen Friedrich ausgetreten. Er war bis 2019 Geschäftsführer des parteinahen Kommunalpolitischen Forums. »Der berühmte letzte Tropfen, welcher das Fass bei mir zum Überlaufen gebracht hat, ist die erneute unsägliche Debatte um Sahra Wagenknecht«, begründete Friedrich seinen Schritt. Zum Inhalt ihres neuen Buches »Die Selbstgerechten« könne er sich nicht äußern, bevor er es gelesen habe. Ihn störe aber generell der Umgangston in der Partei, machte Friedrich deutlich. Er gehörte der Partei 46 Jahre an. Bei Winkelmann waren es 22 Jahre. Manche bedauern die Austritte, manche nehmen es lockerer: es treten immer mal Genossen aus, so ist das halt.

Nun bildet sich in Brandenburg eine neue Initiative, die sich »Basis.Linke« nennt. Der Gründungsaufruf soll an diesem Freitag veröffentlicht werden, ein Entwurf liegt dem »nd« vor. »Nach den Landtagswahlen im September 2019 mit schweren Verlusten für die Linke und dem Ausscheiden aus der Landesregierung hatten viele Genossinnen und Genossen gehofft, dass in der Folge ein Ruck durch unsere Partei gehen würde und durch den Landesvorstand ein Zeichen der Besinnung, Neuorientierung und des Aufbruchs gesetzt würde«, heißt es darin. »Erste Regionalkonferenzen gaben dazu zunächst verhalten Anlass, wenngleich sich schon hier sukzessive der Eindruck verfestigte, dass es mehr darum ging, zu erklären und sich zu rechtfertigen, als sich an die Spitze derer zu stellen, die bestrebt waren, aus der Niederlage zu lernen.«

Es sei festzustellen, dass langjährig aktive Genossen resignieren und sich sozial engagierte junge Menschen von der Partei wenig angesprochen fühlen. Mit einer weitgehend realitätsfernen Einschätzung zur Situation, in der die Linke stecke, habe sich ein Teil des Landesvorstands von der Lebenswirklichkeit entfernt, wie die Basis sie wahrnehme. Es sei höchste Zeit, »verkrustete Strukturen aufzubrechen, wieder die richtigen politischen Akzente zu setzen, sowie die innerparteiliche Demokratie zu stärken«. Dazu bedürfe es eines Impulses aus der Basis.

Gezeichnet ist der Gründungsaufruf von elf Männern und einer Frau, darunter aus Elbe-Elster der Kreisvorsitzende Joachim Pfützner und sein Stellvertreter Aaron Birnbaum sowie aus dem Kreisvorstand Potsdam-Mittelmark Bernd Lachmann.

Welcher Art der neue Zusammenschluss sein wird, ist bewusst noch offen gehalten. Das soll entschieden werden, wenn mehr Leute zusammengefunden haben, erklärt Mitunterzeichner Stefan Roth. Am liebsten wolle man die Interessenten zu einer Veranstaltung einladen und das dort besprechen, wenn die Corona-Lage das zulasse. »Mal sehen, wie unsere Initiative ankommt. Wenn es gut läuft, könnte man überlegen, sich in einer festeren Form zu organisieren«, sagt Roth. »Wir sehen es als unsere Aufgabe, die politische Arbeit des Landesvorstands kritisch-konstruktiv zu begleiten, auch wenn der Vorstand das vielleicht erst einmal anders auffassen mag.« Roth gehört dem Landesvorstand übrigens selbst an.

Ihre Nähe zur Sammlungsbewegung »Aufstehen« wollen die Initiatoren nicht verstecken und solidarisieren sich deswegen ausdrücklich mit ihr. Die Basislinken betonen außerdem, Grundlage ihres Wirkens seien das 2011 beschlossene Erfurter Programm und die Satzung der Partei. Mit Sorge werden »die sich mehrenden Parteiaustritte in Brandenburg« registriert. Stefan Roth wünscht sich, dass die Initiative dazu beiträgt, Genossen in der Partei halten, die unzufrieden sind und mit dem Gedanken spielen, auszutreten.
Außer Hartmut Winkelmann und Steffen Friedrich sind ihm allerdings zuletzt keine Fälle bekannt geworden, antwortet Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg auf Anfrage. Schade sei es aber um jeden verlorenen Genossen, so Wollenberg.

Etwas anders sieht es in Nordrhein-Westfalen aus, wo am Samstag die Landesliste für die Bundestagswahl im September aufgestellt und Sahra Wagenknecht zur Spitzenkandidatin gekürt wurde. Danach soll es innerhalb von 24 Stunden 46 Austritte gegeben haben. In 20 Fällen sei der Austritt ausdrücklich damit begründet worden, dass Wagenknecht auf Listenplatz eins steht, heißt es. Daniela Lajios, Pressesprecherin des Landesverbands, sagt zur Einordnung der Zahlen, dass die Linke in Nordrhein-Westfalen 8760 Mitglieder zähle. Es seien jetzt etwas mehr Austritte als üblich, aber das Ausmaß sei nicht besorgniserregend. Es gebe auch Menschen, die nun eintreten, weil Wagenknecht nominiert wurde. Mit den Ausgetretenen suche man das Gespräch, um sie – wenn möglich – in die Partei zurückzuholen.

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