• Politik
  • Verstöße gegen Hygieneauflagen

Auseinandersetzungen bei Auflösung der »Querdenken«-Demonstration

Etwa 8000 Menschen protestierten in der Hauptstadt gegen das Infektionsschutzgesetz

  • Paul Gäbler und Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 3 Min.

Während im Bundestag über das Infektionsschutzgesetz debattiert wurde, demonstrierten im Berliner Regierungsviertel etwa 8000 Menschen gegen die Corona-Beschränkungen. Bei Sonnenschein und blauem Himmel pendelte die Stimmung zwischen Ausgelassenheit und Aggressivität Hin und Her.

Am Rand der Demonstration stand eine Frau auf dem Bürgersteig und schwenkte neben der preußischen auch die frühere Reichsfahne. Die Farben, so erzählte sie, bedeuteten für sie Demokratie. Dass sie selber als Frau im Kaiserreich nicht wahlberechtigt gewesen wäre, leugnete sie, ebenso wie die damalige Schein-Demokratie. Plötzlich tauchte ein klein gewachsener Mann mit krausen Haaren neben ihr auf und begann, den Reporter wegzuschubsen. Die Presse, brüllte er, habe mal wieder ihren Sündenbock gefunden.

Bereits gegen 11 Uhr fielen einzelne Demonstrationsteilnehmer*innen negativ auf. Eine Gruppe um den in der Szene als »Captain Future« bekannten Michael B. zog durch den Tiergarten in Richtung Regierungsviertel, wurde aber schnell von der Polizei gestoppt. Ein Polizeisprecher bestätigt gegenüber »nd.DerTag«, dass »Captain Future« kurzzeitig festgenommen wurde, seine Identität wurde überprüft und er habe einen Platzverweis wegen des Verstoßes der Hygieneauflagen erhalten. »Captain Future« wurde mehrfach bei »Querdenken«-Demonstration festgenommen und führte mit Unterstützer*innen, die sich »Freedomparade« nennen, mehrere Guerrilla-Aktionen gegen die Corona-Maßnahmen durch. Beispielsweise kauften die Anhänger*innen ohne Maske in größeren Gruppen im Supermarkt ein und veröffentlichten davon Videos im Internet.

Nach dem Vorfall sperrte die Polizei das Regierungsviertel großzügig mit Beamt*innen ab. Auf der Demo wetterte derweil der AfD-Abgeordnete Hansjörg Müller gegen die »korrupte CDU« und stimmte sich mit Markus Haintz ab, um diesen später zur Debatte zum Infektionsschutzgesetz mit in den Bundestag zu nehmen. Haintz war zuletzt in Frankfurt am Main aufgefallen, wo er gegenüber einer Gegendemonstrantin der Antifa Gewalt anwendete. Ab 12:15 Uhr konnte man auf dem YouTube-Kanal »We are the people«, den Haintz betreibt, sehen, dass er auf der Besuchertribüne des Bundestages war. Im Hintergrund war eine Frau zu hören, die am Telefon darüber sprach, wie man später mehr Menschen in den Bundestag hineinbekommen könnte.

Derweil wurde es auf der Straße des 17. Juni immer unübersichtlicher. Die Polizeikette vor dem Regierungsviertel wurde löchriger. Im Sperrbereich, der eigentlich nur für die Presse zugelassen war, standen Dutzende Querdenker*innen und lauschten den Reden. Auch im angrenzenden Tiergarten sammelten sich immer mehr Menschen. Hätte der Zug versucht weiterziehen, hätte die Polizei vermutlich keine Chance gehabt.

Doch die Polizei, die im Vorfeld Unterstützung aus mehreren Bundesländern angefordert hatte, wollte die Kontrolle nicht abgeben: Um 12:30 Uhr kündigte sie an, die Demonstration wegen etlichen Verstößen gegen die Hygieneauflagen aufzulösen. Ursprünglich war die Veranstaltung bis 22 Uhr genehmigt worden. Abgesehen von Pöbeleien reagierte die Mehrheit der Teilnehmer*innen friedlich auf die Auflösung. Nur Heinrich Fiechtner, ehemaliges Mitglied der AfD, sowie einzelne rechtsradikale Hooligans weigerten sich, den Demonstrationsort zu verlassen. Während diese Personen von der Polizei festgenommen wurden, wurde die Menge in Richtung Brandenburger Tor getrieben und die Demonstration damit beendet.

Gegen 13:30 Uhr stockte die Auflösung allerdings nochmals, da sich mehrere »Querdenker*innen« an der Yitzhak-Rabin-Straße, Ecke Straße des 17. Juni weigerten, weiter zu gehen. Wenig später lieferten sich »Querdenker*innen« heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei im Tiergarten. Der Plan, die Menschen Richtung Potsdamer Platz abzudrängen, schlug fehl. Einzelne Teilnehmer*innen wurden festgesetzt, Schlagstöcke und Pfefferspray kamen zum Einsatz. Auffällig war die hohe Anzahl von gewaltbereiten Rechtsradikalen, die die Stimmung anheizten. Zudem tauchte der zuvor festgenommene Ex-AfDler Fiechtner am Nachmittag wieder im Tiergarten auf und sprach zu den übrig gebliebenen Menschen. Offenbar war er von der Polizei nur kurzfristig festgesetzt worden.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -