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  • Politik
  • Prozess um den Tod von George Floyd

Erleichterung nach dem Urteil

Trotz des eindeutigen Votums gegen den Polizisten Derek Chauvin bleibt die Kritik am US-Polizeisystem

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Urteil, das die zwölf Geschworenen am Dienstagnachmittag in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota bekannt gaben, fiel eindeutig aus. Der ehemalige Polizist Derek Chauvin ist in allen drei Anklagepunkten schuldig: Mord zweiten Grades ohne Vorsatz, Mord dritten Grades und Totschlag zweiten Grades. Sein Opfer war George Floyd. Den in Handschellen auf dem Bauch liegenden Afroamerikaner hatte Chauvin am 25. Mai letzten Jahres am helllichten Tag mit dem Knie im Nacken minutenlang auf den Boden gedrückt, bis er erstickte.

Chauvin hörte sich das Urteil regungslos an, bevor er in Handschellen abgeführt wurde. Das Strafmaß soll in acht Wochen verkündet werden. Geht die Verteidigung nicht in Revision, steht dem Mörder in Uniform dann eine vieljährige Gefängnisstrafe bevor. In dem dreiwöchigen Hauptverfahren waren 38 Zeugen der Anklage zu Wort gekommen. Die Verteidigung hatte die Anhörung ihrer Zeugen nach nur zwei Tagen beendet. Chauvin hatte von seinem Recht, nicht auszusagen, Gebrauch gemacht. Drei weiteren Polizisten, die Chauvin assistiert hatten, wird im August der Prozess gemacht.

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Die Behörden in Minneapolis hatten die Stadt zu einer militarisierten Festung ausgebaut, um etwaige Proteste im Fall eines minder schwer ausfallenden Urteils niederschlagen zu können. Nun machte sich aber nach der Urteilsverkündung relative Erleichterung breit. Hunderte skandierten »George Floyd« und »Black Lives Matter«. Der US-amerikanische Präsident Joe Biden bezeichnete den Rassismus als »Schandfleck auf der Seele unserer Nation«. Das Urteil könne ein riesiger Schritt nach vorne hin zur Gerechtigkeit in den USA sein. Er forderte den Kongress zur Verabschiedung eines nach George Floyd benannten Gesetzes für Polizeireformen auf. Auch Vizepräsidentin Kamala Harris sagte am Dienstagabend, der strukturelle Rassismus müsse überwunden werden. Der Anwalt der Familie Floyds bezeichnete das Urteil als »Wendepunkt in der Geschichte«. Ihm müsse eine Polizeireform folgen.

Solche Töne sorgen nach den Jahren der Amtszeit von Donald Trump, der als faschistoider »law and order«-Präsident aufgetreten war, für vorübergehende Linderung. Schon in den Wochen nach George Floyds Tod hatten die »Black Lives Matter«-Massendemonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt im Kongress Versprechungen auf Polizeireformen laut werden lassen. Gesetzesentwürfe reichten von einer bundesweiten Polizeiausbildung mit denselben Standards, dem Stopfen von Schlupflöchern, die entlassenen Polizisten den Wiedereintritt in ein anderes Polizeidezernat erlaubten, bis hin zum Verbot von Würgegriffen. Doch weder im Haus noch im Senat kam es zu einer Einigung, und die Sache verlor sich im Wahlkampf.

Als Präsidentschaftskandidat hatte Biden der Schwarzen Bevölkerung Unterstützung zugesagt. Doch seit seiner Amtsübernahme befasste sich keine seiner Präsidialanordnungen mit einer Polizeireform. Auch von einer Taskforce oder einer Kommission auf höchster Ebene war entgegen seinen Versprechungen nichts zu hören. Stattdessen beschränkt sich das Weiße Haus auf die verbale Zusage, Kongressinitiativen zu »unterstützen«.

Im US-Repräsentantenhaus wurde Anfang März der »George Floyd Policing Act« verabschiedet. Das Gesetz enthält Maßnahmen des kleinsten gemeinsamen Nenners wie ein Verbot von Würgegriffen und die Schaffung einer nationalen Datenbank übergriffiger Polizisten. Aber im Senat, wo eine Mehrheit von 60 Stimmen erforderlich ist - die Demokraten haben nur 50 Sitze beziehungsweise 51, wenn Vize-Präsidentin Kamala Harris als Senatspräsidenten mit abstimmt - bestehe »eine superhohe Hürde«, so die Demokraten-Abgeordnete Karen Bass. Hürden bestehen allerdings auch in den Einzelstaaten und zu deren Verhältnis mit der Bundesregierung. So müssten Polizeireformen, wenn sie Wirkung zeigen sollen, auch gegen die mächtigen und sehr weit rechts stehenden Polizeigewerkschaften durchgesetzt werden. Nicht zuletzt hat sich Biden schon im Wahlkampf vom linken Flügel der Demokraten und dessen Forderung nach »Defund the Police« distanziert und sogar noch mehr Geld eingefordert.

Die Bürgerrechtsvereinigung American Civil Liberties Union erklärte, zum ersten Mal in der Geschichte des Staates Minnesota sei ein weißer Polizist für die Tötung eines Schwarzen zur Rechenschaft gezogen worden. Es handele sich vielleicht um »einen kleinen Erfolg dafür, dass die Polizei verantwortlich gemach werden konnte. Vielleicht hilft er auch einer trauernden Community. Aber die Systeme, die den Mord an George möglich gemacht haben - die ihn seiner Familie und Community entrissen haben, die ihn so sehr liebten - bleiben komplett unangetastet.« Die größte sozialistische Organisation der USA, die Democratic Socialists of America, erklärte zum Urteil vom Dienstag, es handele sich dabei »nicht um Gerechtigkeit«. Die Cops würden »einen der ihren opfern, um Empörung und Wut abzufedern und das Vertrauen in sie aufrechtzuerhalten. Gerechtigkeit kommt nicht von Institutionen, die für ungerechte Verhältnisse sorgen«. Die Polizei werde weiterhin Morde begehen.

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