Traumergebnis für die Spitzenkandidatin der Grünen

Bettina Jarasch wurde mit 98 Prozent auf Platz 1 der Grünen-Liste für die Abgeordnetenhauswahl gewählt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

»Ich danke und ich liebe Euch«, sagt Bettina Jarasch, nachdem die Delegierten der Berliner Grünen am Samstag beim Parteitag mit fast 98 Prozent Zustimmung auf Platz eins der Liste für das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt haben. Sie erntet stehende Ovationen im Moabiter Hotel »Mercure«. »Das ist einfach geil«, so Jarasch zu »nd«.

Zuvor, in ihrer Bewerbungsrede, vergleicht sie die langjährige SPD-Regentschaft im Roten Rathaus mit dem »Mehltau« am Ende der Ära des Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU). Es beginne eine neue Zeit. »Und es wird unsere Zeit sein! Mit einer grünen Kanzlerkandidatin. Mit einer grünen Berliner Bürgermeisterkandidatin. Mit Frauen ganz oben«, macht Jarasch den Anspruch der Grünen klar. Klimaschutz soll Chefinnensache werden, kündigt sie an. Die Grünen wollen ein Klimabudget in Berlin einführen, »damit wirklich alle Berliner Senatsressorts, alleVerwaltungsebenen und Behörden, aktiv Klimaschutz betreiben und CO2-Emissionen einsparen müssen«, so die Spitzenkandidatin.

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Auch das Thema Mieten bekommt breiten Raum in ihrer siebenminütigen Bewerbungsrede. Der jüngst vom Bundesverfassungsgericht kassierte Mietendeckel sei »keineswegs revolutionärer Sozialismus«, widerspricht sie der Argumentation der Opposition. Preisregulierung gehöre zur Marktwirtschaft. »Die soziale Frage wird nicht im Neubau, sondern im Bestand gelöst«, so Jarasch.

Die hauptsächlich bisher in Form von Gesetzen und Planungen angestoßene Verkehrswende will sie in der nächsten Legislaturperiode auch endlich auf die Straße bringen, kündigt Jarasch im Gespräch mit »nd« an. »Je länger ich mich mit den Fragen beschäftige, desto mehr Respekt habe ich vor der Aufgabe«, verteidigt sie die oft kritisierte Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne). Vor allem in den Außenbezirken müsse der ÖPNV schnell verbessert werden. Dies könne gelingen durch Taktverdichtungen und zusätzliche Buslinien. »Mit einer Schienen-Infrastrukturplanungsgesellschaft könnten Planung und Bau neuer Straßenbahnstrecken beschleunigt werden«, glaubt Jarasch.

Mit fast 92 Prozent Zustimmung wird Antje Kapek, Co-Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus auf Platz 2 der Liste gewählt. »Klimaschutz-Ultras« nennt sie ihre Partei und wirft Andreas Geisel von der SPD, einstiger Stadtentwicklungssenator und nun Leiter des Innenressorts, eine große Nähe zur Immobilienwirtschaft vor.

Auf Platz drei kommt es zur Kampfabstimmung zwischen zwei Newcomerinnen mit Migrationsgeschichte, den Bahar Haghanipour aus Neukölln für sich entscheidet. Jeder dritte Platz ist für Kandidierende reserviert, die bisher nicht in Parlamenten vertreten sind.

Fraktionsgeschäftsführer Daniel Wesener, dem Ambitionen auf das Finanzressort nachgesagt werden, kommt auf Platz 4, Co-Fraktionschefin Silke Gebel wird an die fünfte Stelle der Liste gewählt. Es folgt, mit vergleichsweise schwachen 82 Prozent Zustimmung, obwohl es keine Gegenkandidatur gibt, Noch-Landesparteichef Werner Graf.

Der linke Flügel kann sich rund drei Viertel der ersten 20 Listenplätze sichern. Die Fraktion wird deutlich jünger als bisher. Rund 11 000 Mitglieder haben die Berliner Grünen derzeit – fast doppelt so viel als vor fünf Jahren. Die Parteilinken haben davon profitiert.

Die Fraktion dürfte künftig auch deutlich migrantischer geprägt sein als bisher. Gollaleh Almahdi, die sich auf Platz 9 durchgesetzt hatte, sagt, mit Tränen kämpfend: »Ich nehme die Wahl auch für meine Eltern an, die noch nie die Chance hatten, an demokratischen Wahlen für den Senat teilzunehmen.«

Geachtet wurde auch darauf, in der Liste Vertreterinnen und Vertreter aus den Außenbezirken abzusichern, Trotz des Aufschwungs der Grünen auch in Gegenden mit bisher eher überschaubaren Wahlergebnissen könnte es sein, dass ansonsten der eine oder andere Bezirk nicht in der Abgeordnetenhausfraktion der Grünen vertreten ist.

Sollten die Grünen an der Wahlurne im September auf 25 Prozent der Stimmen bekommen, könnten sie im Abgeordnetenhaus 40 Mandate bekommen. Die mögliche Dominanz in einigen Bezirken könnte jedoch auch zahlreiche Direktkandidierende ins Abgeordnetenhaus spülen, die gar nicht auf der Liste vertreten sind. Das könnte das sich abzeichnende Übergewicht des linken Flügels noch relativieren.

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