Coronakrise verschärft offenbar Langzeitarbeitslosigkeit

Experten: Weniger neue Jobangebote, außerdem auch weniger Qualifikationsmöglichkeiten

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Chemnitz. Die Coronakrise sorgt in Sachsen für einen starken Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit. Ist die Zahl seit 2007 von damals fast 151 600 auf nur noch etwa 39 200 im Jahr 2019 stetig gesunken, geht der Trend seit Ausbruch der Pandemie wieder steil nach oben. Im März waren rund 52 600 Menschen länger als ein Jahr arbeitslos - ein Plus von 44 Prozent binnen eines Jahres. Und Arbeitsmarktexperten rechnen mit einem weiteren Anstieg. Das könnte künftig zu Problemen führen. Denn je länger Menschen aus dem Job raus sind, desto schwieriger sei für sie erfahrungsgemäß die Aufnahme einer neuen Arbeit, heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit.

So hat die Coronakrise den Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit zurückgeworfen - momentan liegt sie wieder auf dem Niveau von 2017. »Das tut weh«, sagte Geschäftsführer Klaus-Peter Hansen der Deutschen Presse-Agentur. »Der Erfolg der vergangenen Jahre schmilzt wie Schnee in der Frühlingssonne.« Solange der Lockdown gelte, werde auch die Langzeitarbeitslosigkeit Monat für Monat steigen, so seine Prognose. »Das Risiko, arbeitslos zu bleiben, ist seit Corona um ein Vielfaches höher als dank Kurzarbeit das Risiko, arbeitslos zu werden.« Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) befürchtet, dass Frauen und ältere Menschen besonders mit Langzeitarbeitslosigkeit zu kämpfen haben werden, aber auch Migranten und Schwerbehinderte.

Der Anstieg bei den Langzeitarbeitslosen hat den Experten zufolge zwei wesentliche Gründe. Einerseits stellen Unternehmen wegen der unsicheren wirtschaftlichen Lage und des Lockdowns ganzer Branchen wie der Gastronomie weniger Menschen neu ein. Dadurch ist es für Menschen ohne Job schwieriger geworden, der Arbeitslosigkeit zu entkommen. Das betrifft Langzeitarbeitslose, die es ohnehin schwerer auf dem Arbeitsmarkt haben, aber auch erst arbeitslos gewordene Männer und Frauen - ihr Risiko steigt, in Langzeitarbeitslosigkeit abzurutschen.

Auf der anderen Seite sind pandemiebedingt viele Angebote, um Menschen zu qualifizieren und auf Jobs vorzubereiten, weggebrochen oder können nur sehr eingeschränkt fortgeführt werden. Solche Programme online durchzuführen, sei meist nicht möglich, betonte Hansen. Denn bei vielen Betroffenen gehe es darum, vielfältige Problemlagen in den Griff zu kriegen. Dazu brauche es die Zusammenarbeit verschiedener Akteure und den persönlichen Kontakt.

Das bestätigt DGB-Landeschef Markus Schlimbach. Aus seiner Sicht ist es dennoch dringend notwendig, dass Arbeitsagenturen und Jobcenter Konzepte entwickeln, wie sie die Betroffenen auch unter Pandemie-Bedingungen besser unterstützen können. »Der enge Kontakt muss wieder hergestellt werden«, mahnte Schlimbach.

Ohne Perspektive und Zuversicht. Die Coronakrise hat massive Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Entwicklung von Minderjährigen

Hansen äußerte sich dennoch zuversichtlich, dass es wieder gelingen werde, an den Trend in den Jahren vor der Pandemie anzuknüpfen. Sobald die aktuellen Bremsen durch den Lockdown wieder gelöst seien, werde sich auch der Arbeitsmarkt berappeln, betonte er. Früher oder später werde der Bedarf an Fachkräften in Sachsen wieder spürbar steigen. Auch Langzeitarbeitslose hätten dann mit langfristiger Unterstützung und Qualifizierung wieder bessere Chancen am Arbeitsmarkt. Ziel der Arbeitsagenturen sei aber, arbeitslos gewordene Menschen rasch in neue Jobs zu bringen, bevor Langzeitarbeitslosigkeit überhaupt erst entsteht. dpa/nd

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