Zu viel Geld stinkt
ZIRKUS Europa
Es hat in der vergangenen Wochen reichlich Ärger gegeben um den großen Fußball. Das heißt, eigentlich eher um jenen Fußball, der sich selbst als groß empfindet, so groß, dass er die Kleinen nicht mehr mitspielen lassen mochte und dafür eine eigene Liga gründete. Das Projekt European Super League ist schnell in sich zusammengefallen, aber es wirkt auf kuriose Weise nach: Die Turbokapitalisten aus Italien, Spanien und vor allem England haben ihren Gegenspielern zu einem Imageschub verholfen, wie das keine noch so teure und ausgeklügelte Kampagne hätte schaffen können.
Da ist zum Beispiel Alexander Čeferin. Der Slowene steht Europas Dachverband Uefa als Präsident vor und wollte schon mal das Finale der Champions League nach New York verlegen. Er hat seinen europäischen Zirkus gerade erst zu einer 36-er Liga aufgepumpt und plädiert in Coronazeiten für eine über den ganzen Kontinent verteilte EM - natürlich in gut gefüllten Stadien. Als ranghöchster Kämpfer gegen die Super League aber gibt Čeferin jetzt unwidersprochen den Robin Hood des Weltfußballs.
Sein Äquivalent auf Klubebene ist Paris Saint Germain. Jenes französische Startup, das mit aus arabischen Bohrtürmen gefördertem Geld seit Jahren um den Sieg in der Champions League und Zuneigung an der Basis spielt. Bisher mit überschaubarem Erfolg. Seit einer Woche aber zählt PSG zu den Guten, zu den Lordsiegelbewahrern des edlen Wettstreits. Das katarisch-französische Konsortium gehörte nämlich als einziges der vier Halbfinalisten des diesjährigen Königsklassenwettbewerbs nicht zum Kreis der Super-League-Gründer. Der vom katarischen Emir eingesetzte Klubpräsident Nasser Al-Khelaifi formulierte so schöne Sätze wie: »Fußball ist ein Spiel für alle.« Oder: »Als Verein sind wir eine Familie und Gemeinschaft, die von unseren Fans zusammengehalten wird.« In Vor-Super-League-Zeiten hätte er damit allgemeine Heiterkeit provoziert.
In der seit 1956 währenden Geschichte von Europapokal der Landesmeister und Champions League hat es erst einen einzigen französischen Sieger gegeben. Das war Olympique Marseille, vor 28 Jahren, damals noch mit Rudi Völler im Angriff. Not und Sehnsucht sind so groß, dass es zur Not auch der Paris Saint Germain Football Club sein darf. Ein Anfang der siebziger Jahre gegründetes Kunstprodukt, groß gemacht vom Modeschöpfer Daniel Hechter. PSG hat sich in Frankreich nie großer Beliebtheit erfreut, weil der französische Fußball ohnehin immer in Bordeaux, Marseille oder Lyon zu Hause war und selten in Paris. Der Traditionsverein dort hieß Red Star, aber weil er seine Tradition auch in Bestechungsskandalen auslebte, weiß das kaum noch jemand. Mitte der achtziger Jahre gab es mal das Projekt Racing Club Paris, mit Weltstars wie Pierre Littbarski und Enzo Francescoli. Ging auch nicht lange gut.
PSG greift nun mit seinen Ölmillionen nachhaltig die ganz Großen Europas an. Nach jahrelangem Scheitern im Achtelfinale reichte es im vergangenen Sommer schon mal für den Einzug ins Endspiel, das in Lissabon 0:1 gegen den FC Bayern verloren ging, ausgerechnet durch ein Tor des in Paris ausgebildeten Kingsley Coman. Dafür hat PSG vor zwei Wochen im Viertelfinale Revanche genommen und den Titelverteidiger bei einem künstlerisch höchst wertvollen Spektakel zurück nach München geschickt.
So darf, so soll es weitergehen, wenn am Mittwoch zum Halbfinale Manchester City im Prinzenpark gastiert. Auch diese englische Mannschaft wird mit arabischem Geld alimentiert. Aber anders als PSG widerstand Citys Geschäftsführung nicht der Versuchung, auch noch die Super-League-Millionen einer amerikanischen Investmentbank einzusacken. In der Stadt, die einer der schlimmsten Formen des Kapitalismus in der industriellen Revolution einst ihren Namen verlieh, machen sie gerade die unangenehme Erfahrung, dass zu viel Geld eben doch stinkt.
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