»Potse« bekommt Räumungsbescheid

Die »Potse« hat ihren Räumungsbescheid bekommen, doch es gibt noch Hoffnung

  • Linda Peikert
  • Lesedauer: 4 Min.

Die »Potse« soll am 19. Mai geräumt werden und wäre damit nach dem »Syndikat«, der »Liebig34« und der »Meuterei« das vierte linke Projekt in der Hauptstadt, das innerhalb eines Jahres seine Räumlichkeiten verliert. Dem Kollektiv des Jugendzentrums in der Potsdamer Straße 180 in Schöneberg war Ende 2018 vom Bezirk der Mietvertrag gekündigt worden, seither halten die Jugendlichen die Räume besetzt und suchen nach Alternativen. Doch das ist in Berlin keine einfache Aufgabe: Das von der Politik vorgeschlagene Rockhaus in Lichtenberg war von den Räumlichkeiten her unpassend, in den Flachbau in der Rathenower Straße kann die »Potse« nicht einziehen, weil er abgerissen werden soll - obwohl im Bebauungsplan für das Objekt explizit ein Jugendzentrum vorgesehen ist.

Trotz dieser Rückschläge geben die Jugendlichen nicht auf. Derzeit sind sie mit Sebastian Scheel (Linke), Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, über mehrere Ersatzobjekte im Gespräch. Eine Location im ehemaligen Flughafengebäude Tempelhof wurde bereits besichtigt. »Wir haben an der Zollgarage im Flughafengebäude Tempelhof Interesse signalisiert, aber es müssten sich noch einige Dinge klären, bevor wir eine Entscheidung treffen können«, sagt Momo, Sprecherin der Potse zu »nd«. Die Verhandlungen seien eigentlich ganz gut gelaufen, doch dann kam der Räumungsbeschluss.

»Sie setzen uns wieder die Pistole auf die Brust: Wir werden dazu gedrängt, das Angebot der Zollgarage anzunehmen, ohne unsere Bedingungen ausgehandelt zu haben. Das sehen wir aber nicht ein«, empört sich Momo. Bereits beim Rockhaus sei es ähnlich gelaufen. Der SPD-Jugendstadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Oliver Schworck, hatte die Jugendlichen im Januar vor die Wahl gestellt: Entweder sie nehmen das Angebot an, oder sie werden geräumt. »Es ist eine Frechheit, wie das gerade läuft. Sie wollen uns zwingen, das Ersatzobjekt jetzt sofort zu nehmen. Wir haben kein Vertrauen mehr in die Politik und deren Versprechen.«

Obwohl dem Potse-Kollektiv bewusst gewesen sei, dass der Räumungsbescheid kommen wird, sei der Moment dann doch ein Schock gewesen, erzählt Momo. Eine Einschätzung, ob es wirklich dazu kommen wird, fällt ihr aktuell noch schwer. »Wir stellen uns erst mal darauf ein, dass die Räumung passieren wird. Trotzdem haben wir noch ein kleines bisschen Hoffnung, dass es vielleicht doch noch die Möglichkeit eines anderen Objekts geben könnte«, sagt sie.

Bis dahin wollen die »Potse«-Unterstützer*innen gemeinsam Widerstand zeigen. Die ersten Aktionen sind bereits geplant: So steht an diesem Donnerstag eine Kundgebung für adäquate Ersatzräume vor dem Karl-Liebknecht-Haus an, in dem sich die Bundeszentrale der Linken befindet. Außerdem ruft die »Potse« dazu auf, die »tollsten Erinnerungen, besten Erlebnisse, Aktionen oder sonst alles, was ihr in der Potse erlebt habt« auf Twitter oder Instagram unter StimmenFürDiePotse zu teilen.

Für den Senator für Stadtentwicklung, Sebastian Scheel, ist die »Potse« ein unterstützenswertes Projekt. Obwohl er fachlich nicht für Jugendarbeit zuständig sei, sehe er es als seinen »Auftrag, an einer lebendigen Stadt zu arbeiten«, so Scheel zu »nd«. Die »Potse« trage genau dazu bei und sie hätten intensiv nach Räumen gesucht. Der Räumungstermin sei im Vorfeld nicht mit der Senatsverwaltung kommuniziert worden. »Über das Zustandekommen kann nur der Bezirk Tempelhof-Schöneberg Auskunft geben«, teilt Scheel auf Anfrage mit.

Bezirksstadtrat Oliver Schworck wirkt im Gespräch mit »nd« aufgebracht: »Die Bösen sind nicht wir, sondern die ›Potse‹. Der Räumungstermin kommt nicht überraschend, wir warten seit Monaten darauf.« Er könne nichts dafür, dass inzwischen Gespräche mit Senator Scheel stattgefunden hätten. »Ich habe mir diesen Termin nicht ausgesucht«, so der SPD-Politiker. Er wolle das Objekt dem Eigentümer zurückgeben und verstehe nicht, warum die Jugendlichen die Räume weiter besetzen. Auch ohne Räumlichkeiten würde man sich weiter um einen Ersatz für das Kollektiv bemühen. »Der Bezirk und der Senat geben sich die größte Mühe zu deeskalieren, die einzige, die eskaliert, ist die ›Potse‹.«

Die Linksfraktion Tempelhof-Schöneberg sieht das anders: Sie fordert, die Räumung zu stoppen. Stattdessen müsse in Gesprächen zwischen Senat, Bezirk und Jugendlichen eine Lösung gefunden werden. »Wir werden jedenfalls nicht einfach zusehen, wie unsere Stadt Stück für Stück immer grauer, teurer, seelenloser und damit kinder- und jugendfeindlicher wird«, heißt es in einer Mitteilung. Die Jugendlichen sind gesprächsbereit: »Ich wünsche mir von der Politik mehr Rücksicht und Respekt für alternative Lebensentwürfe und deren Räume«, sagt Momo.

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