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Peking gibt den Ton an
Bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen geht es um rollende Renminbis und Euros
In einer Nacht-und-Nebel-Aktion haben die Chinesen dann doch noch eine analoge Konferenz organisiert. Im gediegenen »Grand Ballroom« schwangen Anzugsträger zwischen goldenen Kronleuchtern und federweichen Teppichböden bedeutungsschwangere Reden, die sich an Inhaltsleere immer weiter überboten. Fragen von Journalisten waren nicht vorgesehen, nur auf Druck der deutschen Botschaft durften einige Korrespondenten in der zweiten Reihe zuschauen. Vielleicht spiegelt dies den Status quo der deutsch-chinesischen Beziehungen wieder: Solange die Euros und Renminbi rollen, müssen Wertevorstellungen hinten anstehen.
Am Mittwoch kamen Kanzlerin Angela Merkel und Chinas Premierminister Li Keqiang virtuell zu gemeinsamen Regierungskonsultationen zusammen. 2011 wurde das alle zwei Jahre stattfindende Format eingeführt, doch politisch waren die Beziehungen noch nie so angespannt. Die Liste an Problemfeldern ist lang: Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang, politische Unterdrückung in Hongkong, Industriespionage und unfaire Wettbewerbsbedingungen für ausländische Unternehmen.
Dass es zu einem solchen Zeitpunkt überhaupt zu hochrangigen Gesprächen kommt, ist umstritten. »Das zeigt, dass die Bundesregierung bereit ist, einen recht hohen Preis für Dialog zu bezahlen«, meint Mikko Huotari, der die Berliner Denkfabrik Merics leitet. Auch die renommierte Forschungsinstitution wurde zuletzt Opfer von chinesischen Sanktionen: Keiner der China-Forscher von Merics darf derzeit in die Volksrepublik einreisen.
Doch trotz der politischen Spannungen florieren die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder weiterhin. »Allein die Entwicklung des Güterhandels zwischen China und Deutschland ist eine spektakuläre Erfolgsgeschichte. Anders kann man es nicht bezeichnen«, sagt Gabriel Felbermayr, Leiter des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Das chinesische Wachstum sei längst ein »Anker« für die deutsche Wirtschaft.
Tatsächlich ist allein die schiere Dimension des Warenverkehrs phänomenal. 5,4 Millionen Autos haben deutsche Firmen nach China verkauft, 116 000 Tonnen Schweinefleisch in die Volksrepublik exportiert. China ist längst der wichtigste Handelspartner Deutschlands, sein Aufstieg im Reich der Mitte eine klassische »Win-Win-Situation«. Zumindest bislang. Während Unternehmer weiterhin auf einen weiteren Ausbau der Zusammenarbeit setzen, warnen immer mehr Politiker vor den entstehenden Abhängigkeiten. Der CDU-Politiker Norbert Röttgen sagte etwa jüngst auf einer Konferenz: Wenn man zu viele Eier in den chinesischen Korb lege, werde man am Ende »sinisiert«, übernommen oder aus dem Markt gedrängt.
Zuletzt bekamen Modehersteller wie H&M und Adidas einen Vorgeschmack davon. Die Unternehmen sind nach einem staatlich gelenkten Boykottaufruf nur deshalb unter die Räder des chinesischen Konsumenten geraten, weil sie aus Angst vor Zwangsarbeit keine Baumwolle mehr aus Xinjiang beziehen - also lediglich arbeitsrechtliche Gesetze einhalten. Zuvor wurde Australiens Wirtschaft Opfer von wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen, nachdem Premier Scott Morrison eine Untersuchungskommission zum chinesischen Ursprung des Coronavirus forderte.
»All das sollte natürlich alle Firmen besorgen, die international agieren. Bislang gibt es aber keine Anzeichen, dass auch wir getroffen werden«, sagt Stephan Wöllenstein, der die China-Geschäfte für Volkswagen leitet und auch eine Fabrik in Xinjiang betreibt. Bislang üben sich deutsche Unternehmensvertreter nach wie vor in der Vogel-Strauß-Taktik: Die Probleme bei den Menschenrechten werden solange ignoriert, bis es nicht mehr anders geht.
Im moralischen Balance-Akt, der eine Unternehmenspräsenz in China zwangsläufig mit sich bringt, sind deutsche Firmen immer wieder durch Anbiederung aufgefallen. Zuletzt zeigte sich dies bei der Automesse in Schanghai, bei der die Firmenvorstände von Volkswagen, Mercedes und BMW regelrechte Lobeshymnen auf die chinesische Regierung anstimmten.
Mittelfristig könnte die Goldgräberstimmung deutscher Unternehmen von einem Kater abgelöst werden. Derzeit vollziehen Chinas Wirtschaftsplaner nämlich einen Paradigmenwechsel, bei dem ausländische Unternehmen immer unwichtiger werden: Der Fokus liegt klar auf dem heimischen Binnenmarkt und technologischer Autarkie, Außenhandel und -investitionen werden dem untergeordnet. Einstige Technologieführer aus Deutschland könnten schon bald von der chinesischen Konkurrenz - mit der finanzstarken, helfenden Hand des Staates - überholt werden.
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