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Bezahlbar wohnen in sexy bitte
Gegen den Wohnraummangel hilft nur mehr Neubau - aber zu welchem Preis?
Wie soll in Berlin gebaut werden? Und für wen eigentlich? Wenn das Augenmerk allein auf der Schnelligkeit liegt, geht das meist schief, ist die Präsidentin der Berliner Architektenkammer Christine Edmaier überzeugt. Am Montagabend diskutierte sie mit Bausenator Sebastian Scheel (Linke) über die stadtpolitische Entwicklung der Hauptstadt. Statt sich nur an Zahlen aufzuhängen, sei die wichtigere Frage, »wo wir bauen, was wir bauen und ob das überhaupt die richtigen Mittel sind für die Probleme, die wir in der Stadt haben«, so Edmaier. »Baukultur und die Qualität von dem, wofür wir meist auch öffentliches Geld ausgeben, sind sehr wichtig«, betonte die Architektin.
Nachdem viel zu spät auf das Wachstum der Stadt reagiert worden sei, müssten erst einmal Meter gemacht werden beim Bauen, entgegnet der Stadtentwicklungssenator. Das gehe mitunter auch auf Kosten der Qualität, räumte Scheel ein. Heute stehe jedes Vorhaben aufgrund der Baupreise unter hohem Kostendruck, was den Ruf nach günstigen Lösungen wie dem Typenbau bestärke und dazu führe, dass »die kleinen Sachen, die Städtebau und Architektur interessant machen, manchmal der Schluck zu viel sind«. Vor allem an prägenden Orten sei das aber ein Muss. »Das, was wir dort in die Landschaft stellen, wird für 50 bis 100 Jahre das Stadtbild prägen«, so Scheel.
Eine Herausforderung der Stadtentwicklung wird sein, diese architektonischen Anforderungen bei gleichzeitig hohem Bedarf an Sozialwohnungen umzusetzen, für die preisgünstig gebaut werden muss. Ziel des Senators ist es, die Zahl der Sozialwohnungen von derzeit knapp unter 100 000 Stück zu halten. Durch das Auslaufen der Sozialbindung bestehender Wohnungen müssen dafür jedes Jahr 5000 neue Sozialwohnungen gebaut werden.
Neben den sozialen sind auch die ökologischen Kriterien beim Neubau wichtig, angesichts der städtischen CO2-Emissionen, die zur Hälfte auf den Gebäudebereich entfallen. Es dürfe aber nicht sein, dass beispielsweise 50er-Jahre Gebäude mit meist günstigen Mieten entmietet werden, nur um diese dann mit Verweis auf die Öko-Bilanz abzureißen und neu zu bauen, erklärt Architektin Edmaier. »Mutter Erde hat nicht unendlichen Rohstoff«, stimmt ihr Scheel zu. »Beton und Zement wird ja auch gerade knapp. Wenn man die Ressourcen hat, soll man sie auch weiter nutzen«, sagt er und verweist auf die sogenannte Graue Energie, also die bereits für die Gebäude aufgewendeten Ressourcen. Was die ökologischen Baustoffe für den Neubau betrifft, sei es wichtig, sich nicht nur auf eine Technologie zu verlassen, betont Edmaier in Bezug auf die aktuell stark angestiegenen Holzpreise.
So wie es nicht nur die eine Lösung bei den Baustoffen gebe, könne auch nicht allein ein Vorhaben das Neubau-Problem der Stadt lösen, antwortet Edmaier auf online gestellte Fragen von Zuschauern, die etwa eine neue Trabantenstadt im Umland oder die Bebauung des Tempelhofer Feldes vorschlugen.
Die Bebauung des Tempelhofer Feldes ist umstritten, die SPD fordert eine »sozialverträgliche Randbebauung«, obwohl sich bei einem Volksentscheid 2014 eine Mehrheit der Berliner dafür ausgesprochen hatte, die Freifläche des stillgelegten Flughafens nicht zu bebauen. Die SPD will eine erneute Bürgerbefragung, CDU und FDP sprechen sich ebenfalls für eine Randbebauung aus.
Wenn das Tempelhofer Feld bebaut werden solle, dann lediglich im Rahmen umfassender Bürgerbeteiligung und mit einem ausgereiften Konzept, fordert Edmaier. Ein reines »Anknabbern« des Randes würde dem einmaligen Gelände nicht gerecht. Für Senator Scheel taugt das Tempelhofer Feld zwar als Wahlkampfthema, löst aber in seinen Augen nicht das Wohnungsbauproblem, wie teilweise suggeriert werde. »Wir haben noch viele Konflikte zu lösen, bevor wir dieses Thema wirklich sinnvoll angehen können«, so Scheel.
Auch die Pandemie wirkt sich auf die künftige Stadtentwicklung aus. Während Architektin Edmaier dafür plädiert, Arbeiten und Wohnen in der Bauordnung zusammenzudenken, zeigt sich Scheel skeptisch in Bezug auf die Umnutzung der durch Homeoffice leer stehenden Bürogebäude zu Wohnraum. Die Potenziale seien nicht unendlich, betont er. Auch, dass Corona zu einer Stadtflucht führe, bezweifelt Scheel: »Berlins Attraktivität wird weiter hoch sein. Die Stadt ist kein Durchlauferhitzer mehr, in die man zum Studium kommt, für die Arbeit aber wieder wegzieht.«
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