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Unterirdische Stimmung im Wald

Reformkonzept für die Forstverwaltung stößt bei den Beschäftigten auf heftige Kritik

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Viele Beschäftigte seien verärgert, erklärt Harald Bienge, örtlicher Personalrat beim brandenburgischen Landesbetrieb Forst. «Die Stimmung ist gelinge gesagt unterirdisch», weiß auch der Landtagsabgeordnete Hardy Lux (SPD). Ähnlich formuliert es Martin Hasselbach vom Forstausschuss beim Agrarministerium: «Die Stimmung im Team ist ausgesprochen schlecht.» Man sollte psychologische Hilfe holen, um das wieder in Ordnung zu bringen, empfiehlt er. Hasselbach verweist in diesem Zusammenhang nicht zuletzt auf die Art und Weise, in der die BSL Managementberatung GmbH aus Mainz auftrat, die allen Vorurteilen über solche Beratungsfirmen entsprochen habe. So sei es ihm selbst erzählt worden. Er habe mit Mitarbeitern des Landesforstbetriebs gesprochen, die mit der BSL zufrieden waren. Aber das seien weniger als zehn Prozent gewesen.

Die BSL hat im Auftrag von Agrarminister Axel Vogel (Grüne) ein umfängliches Zukunftskonzept für die Forstverwaltung erstellt. Es enthält Dinge, die Anklang finden, aber auch jede Menge Sprengstoff - darunter vor allem die Zielzahl von 1280 Stellen. Gegenwärtig sind in dem Bereich noch 1420 Mitarbeiter beschäftigt.

«1280 sind aus unserer Sicht alles andere als ausreichend», erklärt Dirk Kuske von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt am Mittwochnachmittag bei einer Anhörung im Agrarausschuss des Landtags, die sich bis in den frühen Abend hinzieht. Kuske widerspricht «massiv» der Idee, die Zahl der Waldarbeiter auf das Nötigste zu reduzieren und bestimmte Aufgaben wie das Müllsammeln durch Fremdfirmen erledigen zu lassen. «Den Einsatz von Leiharbeitnehmern lehnen wir ab - klar, wir sind eine Gewerkschaft.» Außerdem glaubt Kuske, dass es nicht funktionieren wird, die Reviere wie vorgeschlagen zu vergrößern - «weil das die Belastungen für die Beschäftigten vergrößert».

Betriebsbedingte Kündigungen hat Agrarminister Vogel bereits ausgeschlossen. Denn selbst wenn der Personalbestand reduziert wird, müssen noch viele Fachkräfte neu eingestellt werden. Schließlich gehen in den kommenden fünf Jahren 750 Mitarbeiter in Rente, nicht wenige überlegen wohl, früher aufzuhören. Darum gefällt Uwe Engelmann vom Bund Deutscher Forstleute der Vorschlag im Konzept, junge Leute mit Dienstwohnungen und Dienstwagen zu locken. Aber das ist für ihn nur ein kleiner Lichtblick. Engelmann erinnert an Waldbrände und Schädlinge wie den Eichenprozessionsspinner. «Dem Wald geht es insgesamt schlecht. Der Klimawandel ist bereits im Gange. Gleichzeitig fehlt Personal.» Und was mache das Konzept in dieser Situation? «Sechs Forstämter vorzuschlagen, das hat uns den Atem verschlagen. Manche Kollegen sind vom Stuhl gefallen, einige sitzen noch am Boden. Das ist realitätsfern», sagt Engelmann. Seiner Ansicht nach benötigt die Forstverwaltung 1500 Stellen. Ab 2022 müssten jährlich mindestens 50 Einstellungen vorgenommen werden.

Das hält nun wieder Agrarminister Vogel für realitätsfern. Er sieht nicht, dass er die finanziellen Mittel für 1500 Stellen bewilligt bekommt, eher für 1150. In einer Hinsicht kann er die Gemüter aber beruhigen. Er sieht gar keine Möglichkeit, dass Müllsammeln abzugeben. Daniel Eggerding, seines Zeichens Geschäftsführender Gesellschafter der BSL Managementberatung, stört das nicht: «Ich bin überhaupt nicht böse, wenn es an der einen oder anderen Stelle eine Abweichung gibt.» Dazu sei das Konzept ja da, dass damit gearbeitet wird. Es sei aber auch normal, sogar notwendig, dass es Streitpunkte gebe. Wenn die BSL mit dem Personalrat kuschele, würde das die Abgeordneten doch wundern, meint Eggerding.

Einen gibt es, der das Konzept «insgesamt für fundiert» hält. Enno Rosenthal, Vorsitzender des Waldbauernverbandes. Der Mann war ab 1985 zehn Jahre Revierförster, verließ dann den öffentlichen Dienst und wurde Chef einer Forstbetriebsgemeinschaft. Einst gehörte er der Linkspartei an, kandidierte für diese bei der Europawahl 2009, allerdings völlig aussichtslos auf Listenplatz 24. «Endlich wird eine Mindestzahl an Waldarbeitern festgelegt. Das ist ein großer Sieg», findet Rosenthal, prophezeit allerdings: Es wird noch ein Kampf, die Waldarbeiter zu bekommen. Denn der Markt ist leer gefegt.«

Zwar könnte die Waldarbeitsschule Kunsterspring im Neuruppiner Ortsteil Gühlen-Glienicke (Ostprignitz-Ruppin) ihre Ausbildungskapazitäten leicht verdoppeln, wird bei der Anhörung gesagt. Gut ausgebaut sei sie. Es wäre aber auch entsprechend mehr Lehrpersonal nötig.

Nach den vielen Forstreformen, die es in der Vergangenheit bereits gegeben hat, ist die Lust auf eine weitere bei den Forstleuten ausgesprochen gering. Die letzte Reform verantwortete ein gewisser Agrarminister Dietmar Woidke (SPD), der von 2004 bis 2009 im Amt war. Kern war damals ein drastischer Personalabbau. Später war Woidke Innenminister und hatte es in dieser Funktion mit einer Polizeireform zu tun, bei der es genauso um Stellenkürzungen ging. Seit 2013 ist Woidke Ministerpräsident.

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