Post-Brexit-Stress in Jersey

Wachsende Spannung im Ärmelkanal wegen Fischereirechten

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Donnerstag drohte der Streit um die Fischereirechte vor der Kanalinsel Jersey zu eskalieren. In den frühen Morgenstunden setzten sich mehrere Dutzend französische Fischer in ihre Boote und machten sich auf den Weg nach St. Helier, zur Hauptstadt. Vor dem dortigen Hafen protestierten sie gegen Einschränkungen ihrer Rechte nach dem Brexit. Die britische Regierung - stets erpicht darauf, außenpolitische Macht zu demonstrieren - reagierte, indem sie zwei Schlachtschiffe entsandte, um »die Situation zu überwachen«. Das hat nicht zuletzt deswegen für Konsternation gesorgt, weil Premierminister Boris Johnson noch wenige Stunden zuvor gesagt hatte, dass die Spannungen abgebaut werden müssten.

Der Knatsch begann am vergangenen Freitag, als die neuen Brexit-Bestimmungen für französische Fischer in Kraft traten. Demnach brauchen sie ab sofort eine Lizenz, um in den Gewässern vor Jersey auf Fang zu gehen. Die Insel liegt rund 22 Kilometer von der Küste der Normandie entfernt; zwar ist Jersey selbstverwaltet, steht aber de facto unter der Obhut Großbritanniens.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Laut den Brexit-Bestimmungen müssen die französischen Fischer ab jetzt mittels GPS-Apparaten beweisen können, dass sie in den vergangenen Jahren bereits hier gefischt haben. 17 Boote konnten keine entsprechenden Beweise vorlegen - und erhielten keine Fangbewilligung. Auch gibt es jetzt zusätzliche Vorschriften über die Anzahl der Tage, an denen die Franzosen in den gemeinsamen Gewässern fischen dürfen. Die französischen Behörden haben sich beschwert, dass diese neuen Regeln im Vorfeld nicht angemessen kommuniziert worden seien. Die Europaparlamentarierin Stephanie Yon-Courtin, die im Fischereikomitee sitzt, sagte, dass sie »überrascht worden seien« von den neuen Vorschriften: »Es war ein richtiger Schock.«

Einige Tage zuvor hatte man aus Frankreich bereits düstere Drohungen vernommen. Die französische Fischereiministerin Annick Girardin erklärte, sie sei »angewidert« davon, dass Jersey in Lizenzen unter anderem nun einseitig festgelegt habe, wie lange französische Fischerboote in deren Gewässern sein dürften. Sie sagte, dass sie einige »Vergeltungsmaßnahmen« im Köcher habe - beispielsweise könne sie der Kanalinsel den Strom abstellen: 95 Prozent der Elektrizität auf Jersey werden über Unterwasserkabel aus Frankreich importiert.

Schicksalswahl in Schottland
Bei klarem Sieg der regierenden Nationalpartei rückt ein neues Unabhängigkeitsreferendum in Reichweite

Ian Gorst, Außenminister von Jersey, bezeichnete diese Drohung als eine »unverhältnismäßige« Reaktion auf einen Streit um Fisch. »Dies ist nicht die erste Drohung der Franzosen gegen Jersey oder das Vereinigte Königreich, seit der neue Deal in Kraft ist. Dies ist ein neuer Deal, und es war klar, dass es Startschwierigkeiten geben würde«, sagte Gorst.

Aber auch die britische Seite muss sich den Vorwurf gefallen lassen, mit ihrem Einsatz von Kriegsschiffen unverhältnismäßig zu reagieren. Der Protest der französischen Fischer war eine ausgesprochen friedliche Angelegenheit. Die Boote kreuzten am Donnerstagmorgen vor St. Helier auf, die Fischer zündeten rote Leuchtfackeln hielten Plakate hoch, auf denen »en colère« steht - »Wir sind wütend«. Der Hafen wurde nur kurzzeitig blockiert.

Laut der BBC wollen die Fischer vor St. Helier bleiben, bis sie eine Antwort der Behörden von Jersey erhalten. Wenn das heutige Lizenzierungssystem beibehalten werde, dann müssten bis zu 80 Prozent der Fischer, die mit kleineren Booten arbeiten, das Geschäft aufgeben, sagten sie. Die Franzosen erhielten auch Unterstützung von manchen Fischern aus Jersey: Chris Le Masurier, der hier Austern züchtet, bezeichnete die neuen Auflagen für seine französischen Kollegen als »beleidigend und diskriminierend«. Wenige Stunden nach Beginn des Protests berichteten mehrere französische Medien, dass Außenminister Ian Gorst sich mit einigen französischen Fischern auf einem Boot zu Gesprächen zusammengesetzt habe.

Der Fischer-Streit in Jersey ist der zweite große Brexit-Brennpunkt in diesem Jahr. Bereits in Nordirland haben die neuen Handelsbestimmungen zwischen der Provinz und dem britischen Festland für große Spannung gesorgt. Die EU und Großbritannien führen derzeit Gespräche über eine Lösung.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.