- Politik
- Petersburger Klimadialog
Merkels Klimabilanz
Einen Paukenschlag hat die Bundeskanzlerin auf ihrem letzten Petersberger Klimadialog nicht geliefert
Es war eine andere Lage, damals im Jahr 2010. Der Klimawandel war noch nicht so weit fortgeschritten wie jetzt, mehr als ein Jahrzehnt später. Und die Klimadiplomatie lag am Boden, noch nicht einmal das fröhliche Abgeben mehr oder weniger ferner Klimaziele war in Mode, wie es heute auf Klimagipfeln geschieht. Die Verhandlungen um einen neuen Klimavertrag waren im Vorjahr in Kopenhagen gescheitert.
»Es musste neues Vertrauen aufgebracht werden zwischen den Ländern«, erinnerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag auf dem diesjährigen Petersberger Klimadialog – ein Format, das sie genau zu diesem Zweck 2010 ins Leben gerufen hat.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Jährlich lädt sie politisches Spitzenpersonal aus rund 40 Ländern nach Deutschland ein – am Anfang nach Petersberg bei Bonn, dann nach Berlin, nun wegen Corona zur Videoschalte. Ein informelles Treffen, so die Idee, auf dem ohne den Druck dringlicher Verhandlungen gesprochen werden kann. Ausloten statt abschließen. Dieses zwölfte Treffen ist Merkels letztes, im kommenden Jahr empfängt ihre Nachfolger*in die hohen Gäste.
Die Bilanz der bald scheidenden Kanzlerin ist gemischt. Für die internationale Klimadiplomatie habe sie viel getan, wurden die Gipfelteilnehmer*innen nicht müde zu sagen. Dass die Bundesregierung die deutschen Klimaziele anheben will, wurde ebenfalls positiv bedacht – auch wenn hiesige Klimaschützer*innen sowie Linke und Grüne die neuen Versprechen als unzureichend kritisieren und anprangern, dass sie bislang ohne die passenden Maßnahmen daherkommen.
»Sie stehen im Zentrum dieser Konferenz«, sagte der britische Premier Boris Johnson zu Merkel. »Sie haben der ersten Weltklimakonferenz vorgesessen und einen großen Anteil am Kyoto-Protokoll gehabt, und Sie richten diese Konferenz jedes Jahr wieder aus.« »Herzlichen Dank für Ihre Führungsrolle«, gab die Schweizer Umweltministerin Simonetta Sommaruga der Kanzlerin mit auf den Weg.
»Der Petersberger Klimadialog war ein entscheidender Eckpfeiler bei der Vertrauensbildung der Klimaverhandlungen«, sagte Costa Ricas Umweltministerin Andrea Meza. Für Entwicklungs- und Schwellenländer seien neue Zusagen zur Klimafinanzierung in dieser Phase jedoch entscheidend. An die Kanzlerin gerichtet fragte Meza: »Haben Sie eine Idee, wie das geschehen kann?«
Sie leitete damit zu dem Thema über, dass den Gipfel mit bestimmte: die Klimafinanzierung. Es geht dabei um das Geld, das die Industriestaaten den armen Ländern versprechen, damit sie Klimaschutz und Klimaanpassung bezahlen können – um der jeweils unterschiedlichen Verantwortung für die Klimakrise Rechnung zu tragen. 100 Milliarden US-Dollar sollen von 2020 bis 2025 jedes Jahr auf dem Tisch liegen und in den globalen Süden fließen. Ob das im vergangenen Jahr geklappt hat, ist noch unklar – in den Jahren zuvor gab es nach den Zahlen der Industrieländer-Organisation OECD noch eine beträchtliche Lücke. Boris Johnson sagte beim Klimadialog, er gehe davon aus, dass das Ziel noch nicht erreicht wurde.
Umweltorganisationen hatten gefordert, dass die Kanzlerin den Termin dafür nutzt, eine Verdopplung der Klimafinanzierung zu verkünden. Dass es irgendeine Ankündigung gibt, galt als fast sicher. Doch Merkel sagte in ihrer Rede schließlich, es bleibe bei den bisherigen Klimageldern. »Ich glaube, das ist ein fairer Beitrag für Deutschland.« Deutschland habe sein Versprechen, pro Jahr vier Milliarden Euro aus öffentlichen Geldern bereitzustellen, zuletzt sogar leicht übertroffen, so die Kanzlerin. Zusammen mit teils marktüblichen Krediten für Klima- und Entwicklungsprojekte seien 2019 sogar 7,6 Milliarden Euro geflossen, das vergangene Jahr habe sich in einer ähnlichen Größenordnung bewegt.
Das scheinen nicht nur deutschen Klimaschutzorganisationen kritisch zu sehen, sondern auch das internationale Publikum. »Ich glaube, ich habe sehr deutlich gesagt, dass alle Geberländer Zugeständnisse machen müssen«, sagte Alok Sharma, der Präsident der diesjährigen Weltklimakonferenz in Glasgow sein wird, zum Abschluss des Klimadialogs am Freitag. Er hoffe auf Finanzzusagen auf dem G7-Gipfel im Juni. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) verwies darauf, dass Deutschland schon zu den größten Geldgebern bei der Klimafinanzierung zähle. Das ist nicht falsch. 2018 lag die Bundesrepublik mit ihren öffentlichen Zahlungen im europäischen Vergleich auf Platz drei, wenn man die Beiträge ins Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen setzt.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.