- Brandenburg
- Franfurt (Oder)
Neonazis provozieren am Tag der Befreiung
Demonstration und Gegenaktion von Antifaschisten in der Stadt Frankfurt (Oder)
Vor der Wohnung eines Mannes, der wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt wurde, protestierten am Sonnabend in Frankfurt (Oder) etwa 50 Menschen gegen die ihrer Meinung nach zu milde Strafe. Schon am 25. April hatte es dort eine kleine Kundgebung mit Fackeln gegeben. Ein Video zeigt, wie dabei ein schwergewichtiger Mann den Namen der Straße und die Hausnummer nennt und auch die Etage, in der der Täter wohnt. Zwar spricht er ihn nur als »Herr L.« an. Doch so lässt sich der Betroffene schon identifizieren. In anderen Staaten müssen sich aus der Haft entlassene Kinderschänder in Begleitung eines Polizisten bei den Nachbarn mit ihrem Delikt vorstellen, damit diese gewarnt sind. In Deutschland ist das nicht der Fall.
Neonazi soll straffällig geworden sein
Darum nehmen die Demonstranten die Sache selbst in die Hand, wollen den Nachbarn zeigen, welches »Monster« hier lebe, und immer wieder kommen, bis dem »perversen Kinderschänder das Handwerk gelegt wird«. So schreibt es ein Mann bei Facebook, der anscheinend hinter den Aktionen steckt. Es handelt sich Kennern der rechten Szene zufolge um den Boxtrainer Siegfried P., der einst in Frankfurt (Oder) die Sportschule besucht haben soll, dann am Bodensee lebte und vor zwei Jahren zurückkehrte. Sieben bis acht Jahre lang habe die NPD in Frankfurt (Oder) praktisch keine Rolle mehr gespielt, heißt es. Seit Siegfried P. zurück sei, trete die neofaschistische Partei in der Stadt wieder in Erscheinung.
Der Kampfsportler P., der sich so gegen den Straftäter L. engagiert, hat Zeitungsberichten und Blogeinträgen zufolge selbst einiges auf dem Kerbholz. Demnach wurde er beispielsweise zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er einem linken Jugendlichen in Süddeutschland auf offener Straße einen Faustschlag ins Gesicht versetzt haben soll. Ob das stimmt, ist nicht ganz klar. Auf eine nd-Anfrage dazu antwortete er nicht.
Unerträgliche Neonazi-Provokation
Die Vorwürfe gegen Herrn L. treffen indes zu. Jan Augustyniak vom Bündnis »Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)« hat ihn zur Vorbereitung einer Gegendemonstration kontaktiert und nachgefragt. Dabei habe L. ihm bestätigt, wegen Missbrauchs verurteilt zu sein, sagt Augustyniak.
Die Gegendemonstration zählte dann am Sonnabend rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Augustyniak trat dort als Redner auf und erklärte: »Wir sind heute hier, weil es für uns unerträglich ist, dass Neonazis aus dem Spektrum der NPD das Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche für ihre Zwecke missbrauchen. Wir sind ebenso hier, weil es für uns unerträglich ist, dass die NPD den 8. Mai, also den Tag der Befreiung vom Faschismus, für ihre Zwecke missbraucht.« Es sei mehr als perfide, so der Redner, wie das sensible Thema benutzt werde, um Bürger für undemokratisches und rassistisches Gedankengut zu gewinnen. Es gehe den Neonazis nicht um den Schutz der Opfer, sondern um das Aushebeln rechtsstaatlicher Prinzipien.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.