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Nur die »Dynamo«-Rufe fehlten
Die Eisbären Berlin sind Meister - und nach einer Stresssaison nun einsame Spitze im deutschen Eishockey
Um 21.52 Uhr brachen alle Dämme in der Arena am Berliner Ostbahnhof: Helme, Handschuhe, Schläger flogen allesamt in hohem Bogen aufs Eis. Sie hätte nur gestört bei den Jubelarien der Berliner Eisbären am Freitag in fast leerer Halle. In der Stunde, als die kürzeste Saison in der Geschichte der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) zu Ende ging, fehlten nur die »Dynamo«-Rufe der Eisbären-Fans, die sonst bei jedem Erfolg zum Kultverein nun einmal dazugehören. Für die Anhänger war es nur ein dürftiger Ersatz, dass sie am Tag nach dem Triumph die Abschlussfeier zumindest online miterleben konnten.
Diese pandemiebedingt ungewöhnlichste Saison mit ausschließlich Geisterspielen wurde in wahnsinnigem Tempo durchgezogen. Auf dem Weg zum 100. Jubiläumsmeistertitel brachten die Eisbären 47 Spiele in 140 Tagen und zuletzt 23 Partien in 47 Tagen hinter sich. Dabei sorgten sie selbst für zusätzlichen Stress, denn in allen drei Playoff-Runden, die nach dem verkürzten Modus »Best of three« ausgespielt wurden, verloren die Berliner jedes Mal das erste Match zu Hause, um dann immer wieder mit zwei Erfolgen doch noch als Sieger vom Eis zu gehen.
»Ich bin unglaublich stolz auf mein Team«, strahlte Berlins Cheftrainer Serge Aubin in der Jubelstunde. »Wir standen jedes Mal mit dem Rücken zur Wand. Aber die Mannschaft hat sich immer wieder zurückgekämpft. Es war ein ganz spezielles Jahr. Wir vermissen am meisten unsere Fans. Sie gehören zu uns. Der Titel ist auch für sie. Wir können es kaum erwarten, wieder vor ihnen zu spielen.«
Der Schlussakt gegen die überraschend ins Finale vorgedrungenen Wolfsburger war atemberaubend. Schon nach 1:49 Minuten fiel das 1:0 für die Eisbären, nur 25 Sekunden später glich Wolfsburg aber aus. Ein Treffer, der nicht hätte gegeben werden dürfen, weil ein Wolfsburger einen Pass gespielt hatte, obwohl er seinen Helm verloren hatte und somit nicht ins Spiel hätte eingreifen dürfen. Aber die Eisbären nahmen die Fehlentscheidung erstaunlich diszipliniert hin.
Im turbulenten zweiten Drittel fiel schon nach 23:19 Minuten das 2:1. Ausgerechnet durch Leonhard Pföderl, dessen Saisonaus wegen einer Verletzung vor den Playoffs angekündigt worden war, der aber überraschend schnell zurückkehrte. Sollte das die Entscheidung und das »Tor zur Glücksseligkeit« gewesen sein? Kaum zu glauben, denn die Wolfsburger zeigten ein ganz anderes Gesicht als im zweiten Spiel und wollten nach drei vergeblichen Finalanläufen 2011, 2016 und 2017 endlich die erste Meisterschaft in die Autostadt holen. Dafür hatten sie ihre übertrieben defensive Haltung aufgegeben und spielten nun aggressiv im Vorwärtsgang. So wurde das Finale zu einem Nervenspiel bis zum Schluss.
Die Eisbären rangen in ihrer elften Endspielserie mit großer Leidenschaft und Disziplin um den Triumph, kämpften um jeden Zentimeter, scheuten keine Zweikämpfe. »Es war eine harte und enge Serie. Es hätte auch in die andere Richtung gehen können«, gestand der 36-jährige Kapitän Frank Hördler. Der Verteidiger war nun bei allen acht Titeln der Eisbären dabei. »Der Charakter unserer Mannschaft ist unbeschreiblich. Wir sind im Laufe der Saison eng zusammengewachsen und haben immer an uns geglaubt. Es macht Spaß, in diesem Team zu spielen. Alle acht Titel sind mir lieb, aber der achte am meisten nach einer so ungewöhnlichen Saison.«
Die Meisterfeier verstellte nicht den Blick nach vorn. So kündigte Sportdirektor Stéphane Richer an: »Einen so großen personellen Umbruch wie vor dieser Spielserie mit zwölf neuen Spielern wird es nicht wieder geben. Unser Wunsch ist, kontinuierlich weiterzuarbeiten und einen Großteil der Mannschaft zu behalten.« Und die Eisbären-Ikone Frank Hördler mit 36 Jahren? »Der kann so lange bei uns spielen wie er will«, sagte Geschäftsführer Peter John Lee. »Es war bewundernswert, wie er sich als Kapitän eingesetzt hat - auf dem Eis und in der Kabine.«
Bei der gescheiterten Konkurrenz ist hingegen Ausverkauf angesagt: München trennt sich von sieben Spielern, der entthronte Titelverteidiger Mannheim entlässt sogar zehn Profis. Wer auch immer sie ersetzen wird, der Jubiläumsmeister aus Berlin wird ihr größter Herausforderer sein.
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