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Pal Dardai rettet Hertha BSC

Beim Hauptstadtklub stehen nach dem Klassenerhalt Aufräumarbeiten an

  • Matthias Koch
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Jubel bei Hertha BSC kannte kaum Grenzen. Auf dem Platz fielen sich die Spieler um den Hals, an der Seitenlinie umarmten Trainer Pal Dardai und Sportdirektor Arne Friedrich jeden, der ihnen in die Quere kam. Auf der Tribüne rissen die zahlreichen verletzten und gesperrten Akteure die Arme in die Luft. Das 0:0 gegen den 1. FC Köln im Berliner Olympiastadion gehörte sicherlich zu den schlechtesten Spielen dieser Saison. Aber für Herthas Notelf reichte dieser eine Punkt aus, um den Klassenerhalt einen Spieltag vor Schluss zu sichern.

Das hatten der Mannschaft nach den zahlreichen Coronafällen, die Ende April eine zweiwöchige Quarantäne nach sich zogen, nicht mehr viele zugetraut. Aber Hertha verlor nach der Rückkehr ins normale Profileben keine der fünf Partien, die sie in 13 Tagen abzuwickeln hatten. »Nach dem Abpfiff musste ich erst mal nachfragen, ob wir es wirklich geschafft haben. In dieser Saison gab es Höhen und Tiefen. Wir mussten alle unser Ego hintanstellen, um alles für das Team zu geben«, sagte Verteidiger Niklas Stark. »In der Quarantäne haben wir einen Spirit entwickelt und sind enger zusammengerückt. Das war schon geil, in dem Team zu spielen. Jetzt können wir stolz auf uns sein.«

Wie es sich für den eigentlich nach Höherem strebenden Verein gehört, gab es Zigarren als Symbol des Triumphes schon im Innenraum des Stadions. Paul Keuter, Mitglied der Geschäftsleitung, übergab Trainer und Retter Pal Dardai gleich eine ganze Kiste. Genussmensch Dardai paffte eine von den dicken Dingern sogar am Abend im Quarantäne-Hotel während eines Interviews für das ZDF-Sportstudio. Die Party im Grunewald ging noch länger - bis weit nach Mitternacht. »Nach so einem Druck hat man das auch verdient. Es war ein schöner Abend. Das Wetter hat mitgespielt. Zigarre und Wein haben geschmeckt«, sagte Dardai.

Hertha muss nach dieser Katastrophensaison aber mit den Aufräumarbeiten beginnen. Die Frage aller Fragen: Wie konnte es trotz der Millionen von Investor Lars Windhorst dazu kommen? Die Zusammenstellung der Mannschaft ist einer der offensichtlichsten Fehler. Starke Individualisten - allen voran Angreifer Matheus Cunha - trugen lange kaum etwas zum Teamgeist bei. Darüber stolperten auch Trainer Bruno Labbadia und der langjährige Manager Michael Preetz. Beide mussten Ende Januar gehen. Dann wurde ausgerechtet der 2019 aus dem Amt des Cheftrainers gedrängte Dardai wieder zum Hoffnungsträger.

Hertha BSC kam aber auch insgesamt nicht voran und wurde in dieser Saison selbst vom Stadtrivalen 1. FC Union sowohl sportlich als auch bei den Mitgliederanzahlen überholt. Dazu trugen auch Ereignisse abseits des Fußballplatzes bei. So verloren Torwarttrainer Zsolt Petry und Aufsichtsrat Jens Lehmann nach rassistischen Aussagen ihre Jobs. Fredi Bobic, der aktuelle Sportvorstand von Eintracht Frankfurt, übernimmt zur neuen Saison die Position des Sport-Geschäftsführers. Bobic und Vorstandschef Carsten Schmidt müssen dann entscheiden, was aus Dardai und dem aktuellen Sportdirektor Friedrich wird, die ganz gut miteinander harmonieren. Dardai lässt das Ganze auf sich zukommen. Er besitzt einen laufenden Vertrag und würde auch wieder im Nachwuchs arbeiten.

Wer auch immer Hertha BSC in der kommenden Saison trainieren wird, das viele Geld von Investor Windhorst sorgt für viel Druck - in der Bundesliga oben und auch international spielen zu müssen. Das Gerede vom Big-City-Klub stört auch Dardai. »Ich habe hier gespielt, da habe ich ›Big City‹ nie gehört. Wir sind ein deutscher Verein, in der Hauptstadt, in Berlin, für Berlin, das ist gut«, sagte Herthas Rekordspieler mit 286 Einsätzen in der Bundesliga.

Die Probleme in Berlin hätte mancher Verein sicher gern. Dem Gegner vom Sonnabend, dem 1. FC Köln, droht vor dem letzten Heimspiel gegen Schalke 04 der direkte Abstieg. Im Olympiastadion wirkten die Rheinländer zwar aktiver, aber alles auf eine Karte setzten sie nicht. »Hertha besaß noch weniger Mut als wir, die brauchten einen Punkt und den haben sie sich geholt«, sagte Sport-Geschäftsführer Horst Heldt. Panik herrscht offensichtlich bei Werder Bremen. Nach der 0:2-Niederlage beim FC Augsburg, der wie Mainz vorzeitig gerettet ist, wurde Trainer Florian Kohfeldt am Sonntag gefeuert. Im letzten Saisonspiel gegen Borussia Mönchengladbach und vielleicht in der Relegation soll es nun Altmeister Thomas Schaaf richten, der mit Werder als Spieler und Trainer Meister und Pokalsieger wurde. Ruhig geht es dagegen bei Arminia Bielefeld zu. Der Aufsteiger verpasste durch ein 1:1 gegen Hoffenheim zwar eine bessere Ausgangsposition. Aber mit einem Sieg zum Saisonfinale beim VfB Stuttgart können sich die Arminen im Gegensatz zu Köln und Bremen aus eigener Kraft retten.

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