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Wissen über Antisemitismus
Pilotprojekt für die Lehrerausbildung an der Universität Potsdam
Immer wieder werden antisemitische Vorfälle an Schulen bekannt, und das ist »nur die Spitze des Eisbergs«, sagt Marina Chernivsky. Sie leitet das zur Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland gehörende Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment. Dabei gelte seit Jahren und Jahrzehnten: Wenn es Antisemitismus in der Gesellschaft gibt, dann begegnet man ihm auch an den Schulen, so Chernivsky. »Dasselbe gilt für Rassismus.« Die Jugend sei keineswegs in besonderem Maße antisemitisch oder rassistisch eingestellt. Auch die Lehrer seien nicht frei von Vorurteilen. Die meisten Vorfälle ereignen sich übrigens gar nicht im Unterricht, sondern in den Pausen.
Nun wollen die Universität Potsdam und das Kompetenzzentrum in einem auf drei Jahre angelegten Pilotprojekt Strategien gegen Antisemitismus und Rassismus in den Schulen entwickeln. Diese Strategien sollen dann in der Lehrerausbildung vermittelt werden. Die Partner unterzeichneten dazu am Mittwochnachmittag im Senatssaal der Universität fünf Exemplare einer Absichtserklärung, darunter auch eine für Aron Schuster, den Direktor der Zentralwohlfahrtsstelle, der per Videobildschirm aus Frankfurt am Main zugeschaltet ist. »Ich freue mich wahnsinnig«, sagt Schuster. In Anspielung auf propalästinensische Demonstrationen und das Verbrennen israelischer Flaggen, die es nach den Raketen- und Bombenangriffen beider Seiten im Nahen Osten zuletzt in Deutschland gegeben hat, erklärt Schuster: »Die letzten Tage waren für die jüdische Gemeinde sehr bewegend, auch sehr ernüchternd.« Er glaubt: »Nur mit Prävention, Intervention und auch Repression lässt sich Antisemitismus bekämpfen.« Durch eine geeignete Ausbildung der Lehrer trage man dazu bei.
Konkret wird in den kommenden drei Jahren an der Universität Potsdam eine Ringvorlesung zum Thema fortgesetzt, die sich an sämtliche Studenten - und damit nicht nur an die angehenden Lehrer - richtet und zumindest online bereits im letzten Semester sehr gut besucht war. Außerdem werden pro Semester vier Workshops für jeweils maximal 20 Teilnehmer durchgeführt, die bisher schon allesamt »überbucht« waren, erzählt Judaistikprofessor Christoph Schulte. Überlegt werde, auch noch Seminare anzubieten. Man will auf drei Ebenen arbeiten: Wissensvermittlung, Reflexion und Methodik.
Gideon Botsch vom Moses-Mendelssohn-Zentrum für europäisch-jüdische Studien der Universität Potsdam merkt an: »Wenn wir Lehrer fit machen wollen für den Umgang mit Antisemitismus, ist es auch gut, Lehrer fit zu machen für den Umgang mit Rassismus.« Das mittelfristige Ziel sei ein wenigstens rassismussensibles, wenn schon nicht rassismusfreies Bildungswesen.
Die für das Schulfach Lebensgestaltung- Ethik-Religionskunde (LER) zuständige Professorin Marie-Luise Raters fügt hinzu: »Unsere Referendare machen im Moment vor allem Erfahrungen mit Antiislamismus, insbesondere, wenn sie mit Kopftuch in die Schule gehen wollen.« Nach Ansicht von Raters sollte die Reaktion auf Antisemitismus und Rassismus künftig zur Ausbildung aller Lehrer gehören und nicht etwa nur für Geschichts- oder Ethiklehrer verbindlich sein.
Dass bei den Kollegen Interesse besteht, zeigt eine Wortmeldung von Andreas Borowski vom Lehrstuhl Didaktik der Physik, der aber zugleich Direktor des Instituts für Lehrerbildung und damit für alle Lehramtsstudenten verantwortlich ist. Borowski sieht ein historisches Vorbild für das, was jetzt angegangen wird: die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Frankreich geknüpften Freundschaftsbande. Schulpraktika in Israel wären sicher hilfreich, um Verständnis füreinander zu entwickeln, meint er.
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