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Konsequenter Antifaschismus gewünscht
Linke Gruppen diskutieren über den Umgang mit propalästinensischen Solidaritätsdemonstrationen
Es ist ein altbekanntes Muster: Sobald der schwelende Nahostkonflikt wieder einmal eskaliert, kommt es in Deutschland zu Demonstrationen und hitzigen Debatten. Verlässlich beginnen dann auch große Teile der hiesigen radikalen Linken einen unversöhnlichen Grundsatzstreit. Gibt es irgendetwas, das dieses Mal anders oder gar konstruktiver ist als etwa während des Gaza-Krieges 2014?
Immerhin: Die rechte Erzählung vom »importierten Antisemitismus« wurde unter Linken weitestgehend zurückgewiesen. Ein entsprechender Beitrag aus dem Linke-Kreisverband Osnabrück-Land in den sozialen Medien rief große Empörung hervor. Der Verfasser hatte sich in seiner Argumentation explizit auf die Linke-Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht berufen. Der niedersächsische Linke-Landesverband distanzierte sich umgehend. Eine Genossin teilte auf Twitter mit, die Äußerungen stammten von einer Einzelperson, die sich die Social-Media-Zugänge des Kreisverbandes »unter den Nagel gerissen« habe. Auch ein Bild mit der Aufschrift »Antifa heißt Abschiebung« der eher unbedeutenden »Ideologiekritischen Aktion Neukölln« wurde in Debatten in den sozialen Medien scharf zurückgewiesen.
Insgesamt gehen die Meinungen über die Lage in Nahost und über propalästinensische Demonstrationen hierzulande weit auseinander. Einige linke Aktivisten veröffentlichten Beiträge, die zumindest ein Schlaglicht auf manche Probleme werfen. Eine wiederkehrende Frage scheint zu sein, wie linke Positionen auf propalästinensischen Demos »durchgesetzt« werden können. Die Anwesenheit und teilweise Dominanz von Islamisten, Antisemiten und türkischen Faschisten war bei vielen Protesten offensichtlich.
Der Aktivist Deniz Ergün von der Hamburger Gruppe Roter Aufbau schrieb vor einer von linken Gruppen angemeldeten Palästina-Solidemo: »Wir werden jeden Versuch unterbinden, sich mit Rechtsradikalen, egal welcher Couleur, zu solidarisieren.« Kurz darauf berichtete er, eine Gruppe von »50 Islamisten« habe die Demonstranten »aufgewiegelt« und die Kundgebung »übernommen«. »Die kleine linke palästinensische Gemeinde konnte die Lage nicht mehr kontrollieren und löste auf«, so Ergün.
Auch die Gruppe Migrantifa Duisburg veröffentlichte im Nachgang verschiedener Demonstrationen frustriert ihr Resümee: »Obwohl ›Palästina Spricht NRW‹ im Vorfeld ein Statement zu der Nationalfahnendebatte veröffentlicht hat, folgte darauf in der Praxis kein konsequenter Antifaschismus.« Es sei »einfach hingenommen« worden, dass »kurdische Genossen angegriffen« worden seien. »Noch schlimmer ist, dass versucht wurde, es den türkischen Faschos recht zu machen, statt sie aus der Veranstaltung zu werfen.« Es habe sich in der Praxis gezeigt, dass die Organisatoren solcher Proteste derzeit »nicht in der Lage« seien, Vereinnahmungen zu verhindern. Man wolle daher vorerst nicht weiter an solchen Veranstaltungen teilnehmen.
Der Leipziger Verband der Linke-Studierendenorganisation Die Linke.SDS wiederum will nicht aufgeben und erklärte nach einer Demo dort: »Wenn es der hiesigen Linken nicht gelingt, Bezüge zu palästinensischen Communitys aufzubauen, die auf Missstände in Israel und Palästina aufmerksam machen, sollten wir uns über die Vereinnahmung von rechtsextremen Kräften nicht wundern.« Es müsse darum gehen, in den Protesten selbst »um politische Kräfteverhältnisse und Deutungen zu ringen«. Wenn die »reale Unterdrückung« der Palästinenser von Linken geleugnet werde, eröffne dies rechten und antisemitischen Gruppen die Möglichkeit, sich als »einzig glaubhafte Partner der Palästinenser zu inszenieren«, warnt Die Linke.SDS.
Die Frage bleibt, wer konkret den Antifaschismus auf den Protesten gegen oftmals zahlenmäßig starke Rechte durchsetzen soll - vorausgesetzt, es gäbe eine Einigkeit über die Bedeutung von Parolen und Begriffen. Gruppen wie die MLPD sicher nicht. Der Kleinpartei wird regelmäßig die Verharmlosung von Antisemitismus vorgeworfen.
Sogenannte antideutsche Gruppen werden eigene Gegenveranstaltungen durchführen. Die größeren postautonomen Gruppen beziehen, wenn überhaupt, eher eine ausgleichende Position und wollen sich durch den Konflikt nicht aufreiben, bei einigen ist dies faktisch Gründungskonsens. So erklärte die Interventionistische Linke diplomatisch: »Alle Menschen haben das gleiche Recht, in Würde und Sicherheit zu leben, nicht aus ihren Häusern vertrieben und nicht bombardiert zu werden. Als internationale Solidarität getarnten Antisemitismus lehnen wir genauso ab wie Rassismus, der sich als Kampf gegen Antisemitismus ausgibt.«
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Entscheidend dürfte sein, welche Positionen die noch jungen Migrantifa-Gruppen einnehmen, die vielerorts die Pro-Palästina-Demos unterstützen. Die Gruppe aus Hessen hatte sich nach einer stark kritisierten Kundgebung im Oktober aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. »Unser Anspruch ist es, eine differenzierte Sichtweise auf den Nahostkonflikt zu ermöglichen, in welcher die Stimmen von Menschen jeglichen Glaubens, sowohl Israelis und Palästinenser, gehört und ihnen weder ihre Perspektiven noch ihre Existenzen abgesprochen werden«, erklärte sie damals. Dies sei bisher nicht gelungen.
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