Familienministerin Giffey tritt zurück
SPD-Politikerin zieht Konsequenz aus erwarteter Aberkennung ihres Doktortitels
Am Ende wurde es zu eng für Franziska Giffey: Am Mittwoch gab die SPD-Politikerin ihren Rücktritt als Bundesfamilienministerin bekannt. Grund ist die wahrscheinlich bevorstehende Aberkennung ihres Doktortitels durch die Freie Universität (FU) Berlin. Sie habe Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Kabinettssitzung am Vormittag um Entlassung aus dem Amt gebeten, teilte Giffey mit. Merkel erklärte, sie habe die Entscheidung »mit großem Respekt und mit ebenso großem Bedauern« entgegengenommen.
Giffey reagiert mit ihrem Schritt auf den bevorstehenden Abschluss eines erneuten Verfahrens an der FU zur Überprüfung von Vorwürfen, sie habe in ihrer Dissertation die Übernahme von Inhalten anderer Autoren nicht kenntlich gemacht. Damit stehe sie zu ihrem Wort, erklärte die Politikerin. 2019 hatte sie angekündigt, ihr Amt aufzugeben, sollte ihr der Doktortitel aberkannt werden. Die FU habe ihr bis Anfang Juni eine Frist zur Stellungnahme zu dem Prüfbericht eingeräumt, die sie wahrnehmen werde, schrieb sie in einer persönlichen Erklärung. Sollte die Universität ihr den Titel aberkennen, werde sie dies akzeptieren. Sie versicherte erneut, sie habe die Arbeit »nach bestem Wissen und Gewissen« geschrieben. An ihrer Bewerbung für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin Berlins hält Giffey fest. Sie konzentriere sich nun auf diese »Herzenssache«, erklärte sie.
In der Hauptstadt wird am 26. September neben dem Bundestag auch das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Derzeit regiert in Berlin eine von der SPD geführte Regierung, an der auch Linkspartei und Grüne beteiligt sind. Giffey ist seit November 2020 Vorsitzende der SPD Berlin und deren Spitzenkandidatin.
Die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz sagte, es gebe noch keine Entscheidung darüber, wer das Ministerium bis zum Ablauf der Legislaturperiode führen wird. Mehrere Medien berichteten unter Berufung auf Regierungskreise, Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) werde das Familienressort kommissarisch übernehmen.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sagte, er bedauere Giffeys Entscheidung. Diese zeige aber auch, dass sie »nicht nur eine sehr erfolgreiche Politikerin« sei, »die viel erreicht hat für die Kinder und Familien in diesem Land«. Sie sei auch »eine durchsetzungsstarke Politikerin mit Herz und eine mit Rückgrat«, sagte der Vizekanzler am Mittwoch im Bundestag. Die »Klarheit«, die sie an den Tag lege, sei bemerkenswert. Als Familienministerin könne sie auf eine »riesige Erfolgsbilanz« zurückblicken, so Scholz. Nun werde sie »dringend in Berlin gebraucht«, sagte der Bundesfinanzminister mit Blick auf die Spitzenkandidatur der 43-Jährigen in der Hauptstadt. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte Giffey die Unterstützung der Bundestagspolitiker im Berliner Wahlkampf zu. »Weil sie Größe bewiesen und eben auch Wort gehalten hat, werden ihr das die Menschen mit Sicherheit auch hier in Berlin danken«, sagte er. Die Karriere der Politikerin sei nicht zu Ende. nd/Agenturen Seite 2
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