- Politik
- Klimakrise
Generationenkampf? Ja, bitte!
Lasse Thiele über die Notwendigkeit, in der Klimakrise die politischen Kräfteverhältnisse dauerhaft zu verschieben
Eine Zutat des bröckelnden Betonfundaments der CDU-Vorherrschaft ist eine gewisse deutsche Bräsigkeit, die niemand so perfekt verkörpert wie Armin Laschet. Ihre strategische Zurschaustellung soll wohl ein unterstelltes, vom 21. Jahrhundert mental überfordertes Milieu abholen. Demonstrativ unvorbereitet reagiert sie auf die Krisen der Gegenwart: Huch, dieses Klimading, was haben nur plötzlich alle damit? So ein Virus ist überall ansteckend? Ja, wer ahnt denn sowas? Die Allianz beinharter Kapitalinteressen mit dieser Apotheken-Umschau-Mentalität ist ein altbewährtes politisches Herrschaftsrezept - das jetzt einen massiven Generationenkonflikt befeuert.
Denn für die junge »Generation Klima« ist diese Mischung fatal. Sie muss schnellstens Gegenmacht aufbauen, bevor die Alten noch die letzten CO2-Budgetreste verbraten. Generationenkonflikte mögen ein alter Hut sein, doch dieser Fall hat besondere Relevanz für eine Linke, die schon lange nach neuen »revolutionären Subjekten« sucht: Hier könnte eines heranwachsen.
Die alte zyklische Logik des Generationenkonflikts - die Jungen rebellieren so lange, bis sie selbst in die Machtpositionen nachrücken - greift nur noch bedingt. In der Klimakrise wiegt der materielle Interessenkonflikt zwischen den Generationen schwerer, zumal er auch noch unter neoliberalen Vorzeichen steht: Den Kindern wird es eben nicht »mal besser gehen« als ihren Eltern, wenn diese nur fleißig weiterwirtschaften. Das Gegenteil gilt. Der Mittelschichtsnachwuchs ist zunehmend aus direkter Betroffenheit ökologisch bewegt statt aus bloßem Idealismus. Viele der heute Jungen werden auch in einem Alter noch weiterkämpfen müssen, in dem ihre Eltern sich ins Private zurückzogen. Sie brauchen einen langen Atem.
Das ist kein Anlass zur Naivität. Natürlich können sich auch in der europäischen Generation Klima viele noch entscheiden: für einen solidarischen Umgang mit der Klimakrise oder für die Festung Europa. Für einen gerecht verteilten Restkuchen oder für »neben mir die Sintflut«. Aus einem versiegenden Golfstrom erhebt sich sicher nicht von allein eine revolutionäre globale Multitude, in der sich soziale Spaltungen bequem auflösen. Klassengegensätze, rassistische Hierarchien und patriarchale Unterdrückung könnten sich in den direkten und indirekten Folgen der Klimakrise noch verschärfen. Und genau da müsste eine Linke ansetzen, die für diese unsichere Zukunft mehr Sozialismus und weniger Barbarei will.
Immerhin eint diese Generation gegen ihre Vorgänger ein Problem, das sich grundsätzlich nicht individuell oder in Subkulturen bewältigen lässt außer für Superreiche (anders als sexuelle Befreiung oder kulturelle Selbstverwirklichung, die Fluchtpunkte ihrer einst von Herbert Marcuse zum neuen revolutionären Subjekt erklärten Großeltern). Wer sich nicht in Elon Musks Marskolonie oder wenigstens in eine schwimmende Gated Community zu Erden einkaufen kann, wird die Klimakrise mehr oder weniger dramatisch zu spüren bekommen. Diese Teilschicksalsgemeinschaft verlangt kollektive Antworten. Generation ist sicher nicht »die neue Klasse«, aber die zusätzliche materielle Spaltungslinie zwischen den Generationen macht eine materialistische Generationenpolitik zumindest denkbar.
So kann sich diese Generation eigentlich nicht auf den parteigrünen Kompromissmus (ebenfalls Klassenpolitik) einlassen. Ihr nützt selbst verfassungsrichterlicher Zuspruch nur bedingt; sie muss ganz materiell Recht bekommen - und erkämpfen. Sie könnte noch viel kompromissloser werden gegenüber der Bräsigkeitsdemokratie. Nicht aus jugendlicher Arroganz, sondern aus nüchterner Lageeinschätzung.
Eigentlich produktive Aussichten für linke Politik: Jahr für Jahr wird sich das demographische Kräfteverhältnis zugunsten derer verschieben, die einen Systemwandel brauchen. Heißt aber auch: Eine linke Partei, die sich mit dieser längst diverseren, intersektionaler lebenden Generation ernsthaft verbünden will, kann schlecht zugleich Klima zum Yuppie-Thema erklären - nur um selbst strategisch-deutschbräsig nach Stimmen »normaler Leute« zu fischen, deren gesellschaftliche Normalität es längst nicht mehr gibt. Es steht schließlich auch Älteren frei, sich in diesem Generationenkampf auf die richtige Seite zu stellen.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!