• Berlin
  • Fusion Deutsche Wohnen und Vonovia

Betongold-Koloss mit sozialer Note

Konzernfusion mit Zugeständnissen an Mieter

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

In Bochum könnten künftig wichtige Entscheidungen für den Berliner Wohnungsmarkt getroffen werden. Denn der dort ansässige Wohnungskonzern Vonovia, schon jetzt Nummer eins in Deutschland und Europa, will die Nummer zwei auf dem deutschen Markt, die Deutsche Wohnen, übernehmen. Der so entstehende Koloss käme auf einen Börsenwert von 48 Milliarden Euro und würde über rund 570.000 Wohnungen verfügen.

»Das Marktumfeld ist für Vonovia und Deutsche Wohnen in den vergangenen Jahren immer ähnlicher geworden. Jetzt ist der richtige Moment, die erwiesene Leistungsfähigkeit und Stärken beider Unternehmen zu vereinen«, erklärt Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn. Bisherige Übernahmeversuche von Vonovia scheiterten an der mangelnden Bereitschaft der Aktionäre, Anteile anzubieten. Auch die Konzernführung hatte sich dagegen ausgesprochen. Doch das diesmal rund 18 Milliarden Euro schwere Angebot spiegele »den inneren Wert« der Deutsche Wohnen wider, heißt es in der Mitteilung.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Das Bundeskartellamt dürfte die Fusion wohl durchwinken, bundesweit kommt die gewachsene Vonovia auf mehr als eine halbe Million Wohnungen – das entspricht einem Marktanteil von 2,4 Prozent. Anders sieht es in Berlin aus, die rund 150 000 Wohneinheiten entsprechen etwa einem Zehntel des Mietwohnungsbestands in der Hauptstadt. »Ein größerer Konzern hätte gegenüber den Bezirken eine deutlich gestärkte Verhandlungsmacht, zumal auch in Berlin der Wohnungsbestand räumlich konzentriert ist. Die Stadtplanung und -entwicklung dürfte daher durch ein solch großes Unternehmen spürbar mitgestaltet werden«, erklärt Claus Michelsen, Immobilienökonom und Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

Aktivisten als Investitionsrisiko
10.000 Teilnehmer bei Demonstration gegen Mietenwahnsinn in Berlin

»Gemeinsam nach vorne blicken« will Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), der mit den beiden Konzernchefs, Rolf Buch von der Vonovia und Michael Zahn, sowie seinem Parteifreund, dem Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz, am Dienstagmorgen kurzfristig zur Pressenkonferenz ins Rote Rathaus geladen hat. Eine »wichtige Aussage für die Berlinerinnen und Berliner« nennt Müller die Ankündigung, dass im Bestand die Mieten bis 2024 jährlich um maximal ein Prozent steigen sollen, anschließend bis 2026 nur um die Inflationsrate. Das ist für den Senat schon ein bisschen peinlich, denn das Mietenkonzept für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften nach dem Fall des Mietendeckels sah vor, dass diese ab dem 1. Oktober um bis zu zwei Prozent jährlich angehoben werden dürfen. Nach Widerspruch der Fraktionen der Linken und Grünen ist eine Wiedervorlage im Senat für den 1. Juni angekündigt.

»Es sieht so aus, dass die Stadt noch einmal 20.000 Wohnungen übernehmen kann«, sagt Müller, für ihn der zweite herausragende Punkt des Angebots von Vonovia und Deutsche Wohnen. Man werde im Detail noch mal darüber reden, welche Bestände das sind. Besonders am Herzen lägen dem Regierenden jedoch vor allem Bereiche, wo es besonders schwierige soziale Situationen gebe. Müller nennt Großsiedlungen wie das Falkenhagener Feld am nordwestlichen Stadtrand sowie die Thermometersiedlung im Süden.

»Ich möchte in solchen Bereichen mehr Verantwortung als Stadt haben«, so Müller. Finanzsenator Kollatz erklärt auf Nachfrage, dass es auch um Wohnungen in vierstelliger Anzahl in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg gehe, bei Letzteren dürfte es sich vor allem um Bestände am Kottbusser Tor handeln. Die dortige Initiative Kotti & Co kann man als Keimzelle des Mieterprotests der vergangenen Jahre in der Hauptstadt ansehen. Die Rekommunalisierung der Wohnungen, von denen ein Großteil der Deutsche Wohnen gehört, war ein Wahlkampfversprechen von SPD, Linke und Grünen, das 2016 gegeben worden ist.

Sollte die Abwicklung des Kaufes noch dieses Jahr gelingen, würden die städtischen Bestände durch Ankäufe 2021 genauso stark wachsen wie seit Beginn der Legislaturperiode bis Ende 2020, so Kollatz. »Wir können dann kaufen, wenn wir ungefähr zum Ertragswert kaufen«, erläutert er. Basis ist also nicht der spekulative Verkehrswert, sondern die Erträge aus den tatsächlich eingenommenen Mieten. Dann müssen auch keine Haushaltsgelder fließen, sondern die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften könnten den Erwerb über Kredite finanzieren, die durch die Mieteinnahmen getilgt werden. Das unterscheidet sich ganz grundsätzlich nur wenig von dem Finanzierungskonzept von Deutsche Wohnen & Co enteignen für die Entschädigungen der Bestände sozialisierter Konzerne. Nur liegt der Preis nach deren Vorstellungen niedriger. Nimmt man als Preisbasis die 920 Millionen Euro, die 2019 für den Ankauf von fast 6000 Wohnungen durch die landeseigene Gewobag vom Immobilienkonzern Ado flossen, dürfte der geplante Deal rund drei Milliarden Euro schwer werden.

»Wir deckeln, wir verkaufen aus unserer Sicht und wir bauen«, sagt Vonovia-Chef Rolf Buch, Bezug nehmend auf den SPD-Dreiklang »bauen, kaufen, deckeln«. Das solle »ein gutes Signal sein an die Berlinerinnen und Berlin und an die Politik für eine andere Art der Zusammenarbeit«.

»Wenn wir gemeinsam aktiv werden, pragmatische Lösungen finden auf freiwilliger Basis, nicht Gerichte anstrengen, sondern hier Vereinbarungen treffen, die wir auch vertretbar unseren Aktionären mitgeben können, dann ist das, glaube ich, der bessere Weg«, zeigt sich auch Michael Zahn von Deutsche Wohnen auf verbalem Schmusekurs. »Das wird meiner Meinung nach auch dazu führen, dass andere private Vermieter diesen Weg mitgehen werden.« Das sei der einzige Weg, wie am Ende des Tages auch diese Stadt befriedet werde. Da auch die betriebsbedingte Kündigung der Beschäftigten bis Ende 2023 ausgeschlossen sei, glaube Zahn, dass »neben unseren Aktionären« alle vom Zusammenschluss betroffenen Parteien »gut behandelt worden« sind.

»Es braucht verbindliche Vereinbarungen zu Themen wie Mieterhöhungsstopp, bezahlbarem Neubau und einem stärker gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkt in Berlin«, erklärt die Berliner Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch. Zu Gesprächen mit der Vonovia dazu stehe sie bereit.

Kultursenator und Vizesenatschef Klaus Lederer (Linke) begrüßt die Zugeständnisse der Konzerne. Das ändere aber nichts am zu Grunde liegenden Geschäftsmodell der großen börsennotierten Immobilienunternehmen. »Sie sind weiter ihren Aktionärinnen und Aktionären verpflichtet und erwirtschaften Gewinne auf Kosten der Mieterschaft. Deshalb unterstützen wir natürlich auch zukünftig das Volksbegehren zur Vergesellschaftung«, so Lederer.

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