Pathos und Schweigen

Terrorverdächtiger Franco A. beruft sich auf Erinnerungslücken

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 4 Min.

Franco A. hat bereits eine halbe Stunde geredet, hat mit erkennbarem Wohlgefallen seine vorformulierten Sätze vorgetragen, da fährt ihm Christoph Koller recht rüde in die Parade. »Sie dürfen hier sagen, was Sie möchten«, sagt der Vorsitzende des Staatsschutzsenats am Frankfurter Oberlandesgericht. Und selbstverständlich dürfe der Bundeswehr-Offizier, dem die Bundesanwaltschaft die Planung rechtsextremer Mordanschläge in der Maskerade eines syrischen Geflüchteten vorwirft, auch über seine politischen Beweggründe reden. Aber erst einmal würde man doch gerne bei den nüchternen Tatsachen bleiben: »Was ist wann wo passiert? Was ist unstreitig? Wenn wir darüber Klarheit haben, können wir uns gerne über Ihre Motivlage unterhalten.«

Es ist der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen den terrorverdächtigen Oberleutnant aus Offenbach, und eigentlich hatte Franco A. nur verlautbaren wollen. Jetzt aber antwortet er notgedrungen doch auf Fragen und es ist zu merken, wie wenig ihm das gefällt. Es geht darum, wie er Ende 2015 als der vermeintliche syrische Christ David Benjamin bei einer Geflüchtetenunterkunft in Offenbach auftauchte, wie er das Asylsystem durchlief, wie er ein Konto eröffnete und Sozialleistungen bekam, wie er mehr als ein Jahr lang ein Doppelleben als Bundeswehr-Soldat und Bürgerkriegsflüchtling spielte.

Kleinteilig wird der 32-Jährige befragt, nach Daten und Details, knapp antwortet er, nicht selten beruft er sich auf eine verblassende Erinnerung. Und die Lügengeschichte, die er damals erfolgreich dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auftischte, über sein vermeintliches Leben als französischsprachiger Bauernsohn und IS-Opfer aus Aleppo, lässt er sich lieber aus den Akten vorlesen. Nur so viel ergänzt er dann noch: »Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in Erklärungsnot gewesen wäre.«

In wirkliche Bedrängnis gerät er nun auch vor Gericht nicht. Doch das liegt vor allem daran, dass er zu den meisten Anklagevorwürfen schweigt. Zum schwerwiegendsten Vorwurf, Anschläge etwa auf die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, vorbereitet zu haben, verliert er lediglich ein paar allgemeine Worte: »Es schmerzt mich, dass sich Menschen bedroht gefühlt haben. Es war nie meine Absicht, einem Menschen Leid zuzufügen.« Zur Munition, die er massenhaft bei der Bundeswehr gestohlen haben soll, zu den Waffen, die er illegal besessen haben soll, schweigt er ebenso wie zu den unzähligen Hinweisen auf eine zutiefst rechtsextreme Gesinnung. Nicht einmal zu seinem Lebenslauf möchte er sich befragen lassen.

Dafür ergeht er sich in seiner vorbereiteten Einlassung, die er schließlich doch noch zu Ende vorlesen darf, ausführlich über die Flüchtlingsmigration des Jahres 2015, über die vermeintliche »Grenzöffnung« durch Angela Merkel und über den »Eidbruch«, den die Bundeskanzlerin damit begangen habe. »So saß ich da im Dezember 2015, voller Zweifel und Unglauben«, liest Franco A. von seinem Laptop ab. Und weil er gerade Urlaub und sonst nichts vorgehabt habe, habe er beschlossen, sich als falscher Flüchtling selbst ein Bild vom deutschen Asylsystem zu machen. Mehr nicht.

Franco A., der aufrechte Aufklärer, in brennender Sorge um die von der Kanzlerin verratenen Interessen Deutschlands: Das ist das Bild, das der Angeklagte von sich zeichnet. Gegen Geflüchtete will der Mann, der durch Zuwanderung den Fortbestand des deutschen Volkes in Gefahr sah, dabei rein gar nichts gehabt haben: »Ich kenne diese Menschen, ich habe mit ihnen gelebt, sie sind meine Brüder und Schwestern«, verkündet er mit dem ihm eigenen Pathos.

Danach gibt ein Beamter des Bundeskriminalamts einen Überblick über die Ermittlungen, über Razzien, Zeugenvernehmungen und Chatgruppen, in denen sich Franco A. tummelte. Über gestohlene Bundeswehr-Munition, die er zusammen mit einem Exemplar von Hitlers »Mein Kampf« bei einem Freund unterstellte. Über private Schießtrainings mit Sturmgewehr und Zielfernrohr. Über die »jüdische Weltverschwörung«, die er in seiner Masterarbeit an einer französischen Offiziersschule nachzuweisen versucht habe. Über den Besitz zahlreicher Handys und SIM-Karten, angemeldet auf verschiedene Namen.

Inwieweit all das mit der Unschuldserzählung des Angeklagten in Einklang zu bringen ist, muss der Prozess zeigen. Und das kann dauern. Eine »umfangreiche Beweisaufnahme« kündigt das Gericht am Dienstag an. »Die Einlassung des Angeklagten ist weniger umfassend, als wir uns das vorgestellt haben«, erklärt Senatsvorsitzender Koller. »Es wird eine sehr lange Hauptverhandlung.«

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