Der Kompetenzträger

Im Herbst wird Hansi Flick neuer Fußball-Bundestrainer - und ein Multimanager

  • Maik Rosner, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.

Als Hansi Flick am Dienstagmorgen um kurz nach acht Uhr in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise gesichtet wurde, hatte der bisherige Trainer des FC Bayern München seinen Ruf gleich doppelt bestätigt. Erstens jenen, unbedingt die Nachfolge von Bundestrainer Joachim Löw nach der EM in diesem Sommer antreten zu wollen. Und zweitens den, ein Frühaufsteher zu sein.

In der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) war Flick am Dienstag mit Direktor Oliver Bierhoff und der Interimsspitze des Verbandes verabredet, um seinen Vertrag als künftiger Bundestrainer zu unterschreiben. Wenig später bestätigte der DFB, mit Flick eine Zusammenarbeit bis nach der EM 2024 fixiert zu haben. Wer ihm assistieren wird, soll erst nach der nun anstehenden EM entschieden werden, bei der die deutschen Fußballer ein letztes Mal von Joachim Löw betreut werden.

»Ich bin sehr glücklich«, wurde Flick in der Mitteilung zitiert, »meine Vorfreude ist riesig, denn ich sehe die Klasse gerade auch der jungen Spieler in Deutschland.« Man habe »allen Grund, die kommenden Turniere, zum Beispiel die Heim-EM 2024, mit Optimismus anzugehen«.

Derweil brachte Bierhoff seinen Stolz darüber zum Ausdruck, Flick trotz eines bis 2023 datierten Vertrages beim FC Bayern ohne Ablöse verpflichtet zu haben. Stattdessen soll es ein Testspiel der Nationalelf bei den Münchnern geben. Die Einnahmen sollen dem Vernehmen nach komplett an den Verein gehen. Zumindest ein Teil der Ablöse für den künftigen Bayerntrainer Julian Nagelsmann von bis zu 25 Millionen Euro wäre damit kompensiert.

»Er stand von Anfang an ganz oben auf meiner Wunschliste«, sagte Bierhoff über Flick. In München habe dieser gezeigt, »wohin er eine Mannschaft führen kann«. Auch deshalb sei man sich schnell einig geworden. Zudem ging es Bierhoff darum, noch vor der am 11. Juni beginnenden EM Klarheit zu schaffen. Löws Vorbereitung auf sein letztes Turnier beginnt schließlich bereits am Freitag mit einem Trainingslager in Österreich.

Bierhoffs Wunsch, Flick als Nachfolger zu gewinnen, hatte sofort auf Gegenseitigkeit beruht. Das ließ Flick stets erkennen. Schnell drängte er intern beim FC Bayern auf eine vorzeitige Vertragsauflösung. Seine Differenzen mit Münchens Sportvorstand Hasan Salihamidzic in Kompetenz- und Kaderfragen taten ihr Übriges. Mit Bierhoff ist Flick dagegen sehr freundschaftlich verbunden, und Bierhoff räumt dem künftigen Bundestrainer auch jene Kompetenzfülle ein, die sie Flick beim FC Bayern nicht zugestanden hatten.

»Wir haben ein großes gemeinsames Ziel: zurück an die Weltspitze. Hansi wird sich neben der sportlichen Leitung der A-Nationalmannschaft im Rahmen vieler weiterer Projekte einbringen, die alle Nationalmannschaften, die Trainerausbildung und die DFB-Akademie einschließen«, erklärte Bierhoff am Dienstag.

Entscheidungen über die Zusammensetzung des Kaders kann Flick, anders als in München, künftig ohnehin eigenständig treffen, und praktischerweise sind dafür nicht einmal Transfers nötig. Ganz gewiss wird Flick zur Nationalmannschaft künftig einen großen Teil seiner bisherigen Stammelf des FC Bayern einladen. Für EM-Rückkehrer Thomas Müller dürfte sich somit sogar eine Perspektive über das aktuelle Turnier hinaus eröffnen. Zudem soll Hansi Flick beim DFB sportliche Leitlinien weit über das A-Nationalteam hinaus vorgeben und bis hinein in die Talentförderung wirken.

Für den neuen Bundestrainer schließt sich mit der Rückkehr zum DFB nach acht Jahren als Löws Assistent (2006 bis zum WM-Titel 2014) und Sportdirektor (2014 bis 2017) ein Kreis - mit dem wichtigen Unterschied, jetzt als Hauptverantwortlicher zu agieren. Zunächst einmal wünschte er aber Löw »den größtmöglichen Erfolg«. Der 61-Jährige habe »einen großen Abschluss seiner Karriere als Bundestrainer mehr als verdient«.

Danach, davon darf man ausgehen, hat sich Flick für die kommenden drei Jahre zwei klare sportliche Ziele gesetzt. Nach sieben Titeln in knapp zwei Jahren als Chefcoach des FC Bayern sollen nun bestenfalls die zwei möglichen Trophäen als Bundestrainer folgen: bei der WM 2022 in Katar und der EM 2024.

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Planbar sind derartige Erfolge zwar kaum, doch in Flicks Vita steht als Referenz der Gewinn der Champions League 2020. In Lissabon waren damals Viertelfinale (8:2 gegen Barcelona), Halbfinale (3:0 gegen Lyon) und Finale (1:0 gegen Paris) mit nur jeweils einem K.o.-Spiel ausgetragen worden - also wie bei einer WM oder EM. Als Turniercoach hat sich Flick somit bereits erwiesen.

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