- Berlin
- Mietwahnsinn in Berlin
CDU auf allen Fronten gegen Enteignung
Großplakate und Angst schürende Internetseiten sollen Wähler überzeugen
»Mietern wirklich helfen. Nein zum Enteignen!« Mit dieser schlichten Botschaft, garniert mit dem riesigen Konterfei ihres Spitzenkandidaten Kai Wegner will die Hauptstadt-CDU auf 100 Großplakaten im Wahlkampf zur Abgeordnetenhauswahl im Herbst punkten. »Massenenteignungen schaffen keine einzige neue Wohnung und senken keine Miete – kosten den Steuerzahler aber Milliarden«, erklärte Wegner zum Anlass der Vorstellung des Motivs am Mittwoch.
Parteichef Wegner begrüßt die Fusion von Deutsche Wohnen und Vonovia als »Chance für die Mieterstadt Berlin« und erklärt: »Der angebotene Verkauf von 20.000 Wohnungen bietet Rot-Rot-Grün die Gelegenheit, sich gesichtswahrend von allen Enteignungsfantasien zu verabschieden.« Erstaunlich, dass ein Ankauf offenbar den Steuerzahler keine Milliarden kosten soll, während die Entschädigung für eine Sozialisierung das nach CDU-Darstellung tun würde.
Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hatte am Dienstag im Roten Rathaus erklärt, dass bis zu einem gewissen Preis sich die Ankaufskosten haushaltsneutral durch die Mieteinnahmen tilgen ließen – so argumentiert auch die Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen.
Die Kreuzberger Initiative Bizim Kiez hat nachgerechnet. Sollte der Kaufpreis wie kolportiert 3,2 Milliarden Euro betragen, würde Berlin pro Wohnung 160.000 Euro bezahlen. Bei der 18-Milliarden-Euro-Übernahme der Deutsche Wohnen durch Vonovia kostet jede einzelne der knapp 157.000 Wohnungen allerdings nur etwas unter 115.000 Euro. »So wie der Deal jetzt aussieht, kostet die Aktionär*innen der Vonovia eine Wohnung der Deutschen Wohnen nur 67 Prozent dessen, was das Land Berlin für eine Wohnung bezahlen muss«, schreibt Bizim Kiez. Denn abzüglich der Milliarden vom Land Berlin würde Vonovia für jede Wohneinheit nur noch schlanke 108.000 Euro zahlen.
Angstkampagne bei Genossenschaftern
Der Marzahn-Hellersdorfer CDU-Bundestagskandidat und Kreisvorsitzende Mario Czaja setzt weiter darauf, Genossenschaftern Angst vor der Sozialisierung zu machen. Auf der Webseite des frisch von ihm gegründeten »Freundeskreises Genossenschaften Marzahn-Hellersdorf« warnt er wie bereits zuvor, dass Genossenschaften von der Sozialisierung »nicht eindeutig ausgenommen« seien. Die inhaltlich übersichtliche Seite scheint vor allem der Adresssammelei zu dienen, denn »unterstützen« kann man das Projekt, indem man unter dem Satz »Ich spreche mich gegen die Enteignung von Genossenschaften aus« seine persönlichen Angaben einträgt.
Die Enteignungsinitiative hatte kürzlich Mario Czaja zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert – wegen Aussagen, dass Genossenschaften enteignet werden können. Beobachter haben den Eindruck, dass der CDU-Politiker in der Wortwahl in der Folge vorsichtiger geworden ist. »Ich bleibe dabei, dass durch das Volksbegehren auch aufgrund der aktuellen Fassung des Beschlusstexts ein Risiko für Genossenschaften besteht, ebenfalls enteignet zu werden«, erklärt Czaja auf nd-Anfrage. »Ich habe der Initiative meine Auffassung im Nachgang zu deren Unterlassungsaufforderung mitgeteilt und den geltend gemachten Anspruch zurückgewiesen. Darauf gab es keine Erwiderung mehr«, so Czaja weiter. »Es hängt davon ab, welche öffentlichen Äußerungen Mario Czaja ganz persönlich dazu trifft, ob wir weitere Schritte unternehmen«, sagt Jenny Stupka von Deutsche Wohnen & Co. enteignen gegenüber »nd«.
Verzweifelter Wahlkampf-Stil
»Es ist bezeichnend für den verzweifelten Wahlkampf-Stil von Herrn Czaja, dass er weiterhin fälschlicherweise behauptet, dass die Enteignung von Genossenschaften durch das Volksbegehren drohe«, sagt Kristian Ronneburg, Linke-Bezirksvorsitzender in Marzahn-Hellersdorf, dem »nd«. Genossenschaften könnten im Rahmen eines Vergesellschaftungsgesetzes rechtssicher ausgenommen werden. »Die Linke steht weiter an der Seite von Genossenschaften und Genossenschaftsmitglieder sollten die plötzlich entdeckte Liebe der CDU, die unter direktem Einfluss der Immobilienlobby steht, kritisch hinterfragen«, so Ronneburg weiter.
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