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Die Jungs müssen an die frische Luft
Deutsches Eishockeyteam genießt nach erster WM-Pleite eine Pause
Um in der öden Hotelblase nach der ersten WM-Niederlage gar nicht erst auf miese Gedanken zu kommen, fuhr Bundestrainer Toni Söderholm sein Team am freien Donnerstag zur Bespaßung raus aus Riga auf eine Sanddüne. Bloß nicht an Eishockey denken oder darüber sprechen war die Devise. »Wir geben den Spielern komplett eishockeyfrei«, sagte Söderholm vor dem Kurzausflug, der unter den strengen Corona-Schutzbestimmungen stattfand. »Da sammeln wir unsere Kräfte und stärken uns an mehreren Fronten, und dann kommen wir zurück.«
Erst am Sonnabend gegen Titelverteidiger Finnland geht es für die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) bei der Weltmeisterschaft weiter. Nach dem unerwarteten 2:3 am Mittwoch gegen Kasachstan müssen trotz der drei Auftaktsiege aus den restlichen Vorrundenspielen gegen Söderholms finnische Landsmänner, die US-Amerikaner am Montag und WM-Gastgeber Lettland am Dienstag, noch ein paar Punkte her, um die angestrebte erneute Viertelfinalteilnahme perfekt zu machen. »Wir müssen uns nicht kleiner machen, als wir sind«, sagte Verteidiger Moritz Seider angesichts der schweren folgenden Aufgaben und versprach: »Wir werden zurückschlagen.«
Hohe Belastung in ersten WM-Tagen
Dafür muss einiges besser laufen als im Spiel am Mittwoch gegen den unbequemen Aufsteiger Kasachstan. Nicht einmal 48 Stunden nach dem Highlight gegen den 26-maligen Titelträger Kanada (3:1) war das bislang überzeugende deutsche Nationalteam nicht mehr zu einer erneuten Spitzenleistung fähig gewesen. »Vielleicht waren wir etwas langsam im Kopf, und deshalb war die Qualität im entscheidenden Moment auf dem Eis nicht zu sehen«, sagte Söderholm auch angesichts der mentalen und physischen Belastung der ersten WM-Tage: »Ich glaube, in diesem Fall ist es gut, dass wir den Reset-Knopf drücken können.«
Zum einzigen Mal bei dieser WM hat das deutsche Team in Riga nach einem Spiel zwei Tage am Stück frei, was zur Regeneration einerseits gut ist. Andererseits deuteten Söderholm und Sportdirektor Christian Künast an, dass dies gerade nach einer Niederlage unter den aktuellen Umständen auch schwierig sein könne. Einfach mal raus in die schöne Altstadt Rigas, um einen Kaffee zu trinken, ist angesichts der Corona-Bestimmungen nicht möglich. Das Höchste der Gefühle im Hotel ist ein Meetingsaal, der auch als Essenraum dient, bestückt mit einer Tischtennisplatte und einem Tischkicker, der nur dem deutschen Team zur Verfügung steht. »Dieser Raum, die Zimmer, die Halle - das war’s«, zählte Künast die Möglichkeiten für die Spieler bislang auf. Die Gefahr des Lagerkollers ist da groß.
Deshalb strich Söderholm das Training am Donnerstag und nahm das Angebot der WM-Organisatoren an, eines von zwei möglichen Ausflugszielen außerhalb Rigas zu besuchen. Mit einer Polizeieskorte wurden Trainer und Spieler raus aus der Stadt zu einer Düne gefahren. »Da sind nur wir, kein anderer Mensch ist dort«, berichtete Künast fast sehnsüchtig. »Dass einfach mal der Aspekt der frischen Luft dazukommt.« Offenbar ist allein das schon schwierig.
Viele Nationen vermissen Topstars
Es wird klar: Der Teamgeist wird unter diesen Umständen wichtiger denn je bei diesem Turnier, und der scheint aktuell bestens zu sein. »Die Mannschaft ist eine Einheit. Wir werden unseren Weg gehen«, versprach Künast, der wie auch DEB-Präsident Franz Reindl eine historische Chance für das deutsche Team bei diesem Turnier sieht. Aufgrund der Umstände war es vielen NHL-Topstars wie unter anderem auch Deutschlands Sportler des Jahres 2020, Leon Draisaitl, nicht möglich, nach Riga anzureisen. Nach dem Playoff-Aus der Edmonton Oilers war nur sein Teamkollege Dominik Kahun in der Lage, schnell in die lettische Hauptstadt zu fliegen.
So geht es vielen Nationen in diesem Jahr, was das Leistungsgefüge im WM-Turnier zwischen den Nationen deutlich dichter zusammenrücken lässt. Etliche Topnationen stehen bereits unter Druck, unter anderem Kanada droht trotz etlicher NHL-Profis im Team ein historisches Vorrundenaus. Dies könnte die Chance für Deutschland sein, ähnlich wie bei Olympia 2018 als Kollektiv eine Medaille zu holen. »Es hat sich bewahrheitet, dass die WM unheimlich offen und eine Wundertüte ist«, sagte Reindl. »Nichts ist sicher, die Umstände sind komplett anders als früher, aber der Sport ist gut.«dpa/nd
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