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Kehrtwende im Klassenkampf
Bildungssenatorin knickt ein und kündigt Ende des Wechselunterrichts an
Es wird wieder voll in Berlins Klassenzimmern. Ab kommendem Mittwoch ist Schluss mit dem Mix aus Präsenzunterricht und Daheimbeschulung. Alle Jahrgangsstufen an allen Schulen kehren in voller Klassenstärke zurück in den Regelunterricht. Rein theoretisch zumindest, denn die Präsenzpflicht bleibt weiterhin ausgesetzt. Rot-Rot-Grün zieht damit die Konsequenzen aus einem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts. Das hatte am Montag den Eilanträgen von zwei Eltern stattgegeben und entschieden, dass deren Kinder, eine Grundschülerin und ein Grundschüler, wieder ausschließlich Präsenzunterricht bekommen müssen.
»Wir hätten ohne das Gerichtsurteil am Wechselunterricht bis zu den Ferien festgehalten«, räumte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) im Anschluss an die Senatssitzung ein. »Es ist nun durch die Gerichte anders entschieden worden.« Zwar wäre eine Beschwerde gegen das Gerichtsurteil möglich gewesen. Aber, so Müller: »Wir werden jetzt keine Rechtsstreitigkeiten auf dem Rücken der Kinder austragen.«
Eine dennoch durchaus erstaunliche Kehrtwende, hatte doch die Senatsbildungsverwaltung in den vergangenen Wochen vehement ihre Linie verteidigt, am Wechselunterricht bis zu den am 24. Juni beginnenden Sommerferien festhalten zu wollen. Das strikte Nein zum Regelbetrieb von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte dabei zum Teil heftige Grabenkämpfe innerhalb des rot-rot-grünen Regierungslagers ausgelöst. Neben der SPD-Landechefin und -Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl Franziska Giffey waren es vor allem die Grünen, die für ein rasches Ende des Wechselunterrichts trommelten.
Deren Spitzenkandidatin Bettina Jarasch heftet sich das Umsteuern des Senats nun folglich auch ans Revers. »Unser Drängen der letzten Tage hat sich gelohnt«, twitterte Jarasch am Dienstag und freute sich über die »gute Nachricht« für Berlins Schülerinnen und Schüler. »Es wäre noch besser gewesen, es hätte für diese richtige Entscheidung kein Gerichtsurteil gebraucht«, so Jarasch weiter.
Erwartbar anders fällt die Reaktion der Linkspartei aus. Ebenso wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Landesschulbeirat hatte die Linke Scheeres’ Linie vollumfänglich unterstützt. »Ich bin ziemlich entsetzt: Zwei Eltern klagen – und alle sollen die Folgen tragen«, sagt dann auch Regina Kittler, die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, zu »nd«. Immerhin bleibe die Präsenzpflicht ausgesetzt. Kittler erinnert daran, dass die Infektionszahlen gerade unter den Schülern nach wie vor über dem berlinweiten Durchschnitt liegen. »Ich kann nur allen Schulen zurufen: Geht raus mit den Schülerinnen und Schülern! Bleibt nicht zu dreißigst im Klassenraum ohne Abstand!«
Auch GEW-Landeschef Tom Erdmann ist wenig begeistert von der Senatsentscheidung, verweist aber auf das Gerichtsurteil: »Wir leben in einem Rechtsstaat, und wenn ein Gericht urteilt, dann gilt das.« Die Bildungsverwaltung stehe jetzt aber »in der Pflicht, für die Sicherheit an den Schulen zu sorgen«, so Erdmann zu »nd«. Dass an der Maskenpflicht nicht gerüttelt werde, sei gut, verstehe sich aber von selbst. Zugleich müsse nun aber die Frequenz der Corona-Testungen an den Schulen erhöht werden. »Zwei Mal wöchentlich testen, reicht nicht mehr. Deshalb müssen auch deutlich mehr Testkapazitäten zur Verfügung gestellt werden.« Erdmann fordert zudem, dass die dann noch elf Vollpräsenz-Schultage bis zu den Sommerferien sinnvoll genutzt werden – und zwar nicht, »um jetzt noch Rahmenlehrpläne durchzuprügeln, sondern für den sozialen Austausch, für ausführliche Exkursionen, für Wandertage«.
Ähnliches hatte Bildungssenatorin Scheeres ohnehin bereits in Aussicht gestellt. Mit Blick auf die Gerichtsentscheidung verteidigte sie dabei am Dienstag noch einmal den »vorsichtigen Weg«, für den sie sich eigentlich stark gemacht hatte. Durch die Eilentscheidung sei »nun eine neue Situation entstanden«. Also »muss« es »eine Rückkehr zum Regelbetrieb noch in diesem Schuljahr geben«. Vergnatzter hätte Scheeres’ Erklärung kaum ausfallen können.
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