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Autobahnhass bis in die CDU
Pünktlich zum Weltfahrradtag wird im Berliner Südwesten der Abriss der A104 gefordert
Diesen Donnerstag ist Weltfahrradtag. In Berlin wollen am Nachmittag Aktivistinnen und Aktivisten von Changing Cities in der Weddinger Müllerstraße auf Höhe des Leopoldplatzes demonstrieren. »Wir werden uns verpollern«, sagt Ragnhild Sørensen, Sprecherin des aus dem Fahrrad-Volksbegehren hervorgegangenen Vereins. Als Poller verkleidete Menschen werden temporär einen Pop-up-Radweg auf der viel befahrenen Straße markieren.
Bundesweit sind für 28 Städte vergleichbare Aktionen angekündigt. »Mit dieser Pop-up-Radwege-Aktion fordern wir: Vorrang für den Fuß-, Rad- und öffentlichen Personenverkehr, ein lückenloses Netz, wie es für Autos bereits existiert, finanzielle Förderung und rechtliche Bevorzugung von nachhaltiger Mobilität«, erläutert Girina Holland von Changing Cities das Ziel.
Weg von der autogerechten Stadt will man auch im Berliner Südwesten. Ein Bündnis, zu dem auch der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin (AIV) gehört, fordert am Mittwoch bei einer Online-Pressekonferenz den kompletten Abriss der einstigen A104. Die heutige Schnellstraße führt vom Hohenzollerndamm über das ehemalige Kreuz Wilmersdorf mit dem Stadtring A100 bis zur Steglitzer Schloßstraße. Offiziell untersucht wird derzeit nur der Abriss der Brücke über den Breitenbachplatz.
»Die Umgebung der Strecke ist zu einer Industrie- und Autobahnbrache verkommen«, sagt Karl-Georg Wellmann, der einst für die CDU im Bundestag saß. Der Breitenbachplatz als einer der schönsten Plätze Berlins in den 1920er Jahren sei vollkommen »entstellt«. Wenn die Brücke am Breitenbachplatz entfernt wird, müsse man sowieso »zwingend« überlegen, was mit dem Rest passiert.
»Die ganze Brückenkonstruktion inklusive Tunnel muss für viele Millionen saniert werden, wahrscheinlich geht es um 100 Millionen Euro«, so Wellmann. Es wäre »Haushaltsuntreue«, dieses Geld zu investieren. »Wir wollen der Politik Beine machen und nicht ein endloses Palaver und schwächliche Machbarkeitsstudien.«
Die Leute hätten Angst vor Staus und Verkehrschaos, wenn die rund drei Kilometer lange Strecke abgerissen werden würde, räumt AIV-Präsident Tobias Nöfer ein. »Dass das passieren wird, davon bin ich nicht überzeugt. Verkehrsplanung ist weit komplexer als die Berechnung von irgendwelchen Autoströmen«, sagt er. Es sei kein sehr utopisches, sondern ein sehr realistisches Projekt, erklärt Nöfer. »Was jetzt vorgestellt wird, könnte in fünf Jahren fertiggestellt werden.«
Architekt Robert Patzschke, dessen Büro unter anderem den Wiederaufbau des Hotels Adlon geplant hatte, hat sich mit den Flächen beschäftigt. Über 100 000 Quadratmeter Wohnungsbauland könnten neben der Wiederherstellung oder Neuanlage attraktiver Flächen am Breitenbachplatz sowie an der Steglitzer Schildhornstraße gewonnen werden. Bei »stadtverträglicher Bebauungsdichte« könnten allein auf den Autobahnflächen rund 3000 Wohnungen entstehen.
Auf angrenzendem Land, das wegen der Schnellstraße derzeit nicht dafür nutzbar ist, könnten es 3000 weitere Wohnungen sein. Der ikonische Bierpinsel an der Schloßstraße soll nach seiner Vorstellung trotz des Abrisses der anliegenden Brücke erhalten bleiben.
»Ich bin tief bewegt davon, was Sie hier machen. Vor ziemlich genau 41 Jahren habe ich zusammen mit Hans Stimmann gegen die Eröffnung dieser Autobahn protestiert«, sagt Fußgänger-Aktivist Roland Stimpel bei dem Termin. Stimmann, der auch Teil der Initiative »Stadt statt A104« ist, hat als langjähriger Senatsbaudirektor mit für die dicht bebaute Friedrichstraße und den Abriss von markanten DDR-Gebäuden in Mitte gesorgt.
Der Wert der an die Autobahn angrenzenden Immobilien dürfte mit einem Abriss deutlich steigen. »Wir machen das nicht, um die reichen Villenbesitzer noch reicher zu machen. Wir stellen uns auf den Flächen zu einem großen Teil Sozialwohnungen vor«, sagt jedoch CDU-Mitglied Wellmann. Das Land gehöre schließlich größtenteils Berlin.
»Wenn die Mobilitätswende bei der CDU ankommt, dann ist das gut«, sagt Linke- Stadtentwicklungspolitikerin Katalin Gennburg zu »nd«. Sie müsse allerdings Teil des sozial-ökologischen Stadtumbaus sein. Gennburg wird diesen Samstag am Treptower Park auch an der Demonstration gegen den Weiterbau der A100 teilnehmen. Es geht um die im Bau befindliche Verlängerung vom Dreieck Neukölln.
»Die A100 reißt eine Schneise der Zerstörung durch Berlin, anstatt günstigen Wohnraum und Grünanlagen zu schaffen - oder ein Freibad zu bauen«, sagt Lou Winters vom Berliner Bündnis »Sand im Getriebe«. Die Aktion ist Teil eines bundesweiten Protesttags gegen Aus- und Neubauten von Autobahnen.
»Ich erwarte die sofortige Einsetzung einer Taskforce Autobahn-Rückbau unter Federführung des Regierenden Bürgermeisters«, sagt Katalin Gennburg.
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