Kapitulation vor der »Werteunion«

CDU-Chef Armin Laschet will nicht rigoros gegen Rechte in den eigenen Reihen vorgehen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.

In der Union ist eine Debatte entbrannt, inwieweit sie sich von weit rechts stehenden Kräften abgrenzen soll. Mehrere Politiker der CDU haben einen Unvereinbarkeitsbeschluss zwischen ihrer Partei und der »Werteunion« wegen deren Nähe zur rechtspopulistischen AfD verlangt. Diese Forderung erhob etwa der Chef der Arbeitnehmergruppe in der Unionsfraktion, Uwe Schummer, im Gespräch mit dem »Spiegel«. Leute wie der erst kürzlich zum Vorsitzenden der »Werteunion« gewählte Max Otte hätten »in der CDU nichts zu suchen«. Otte war von 2018 bis Anfang 2021 Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung

Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet laviert bei diesem Thema. Er lehnt einen Unvereinbarkeitsbeschluss bislang ab. Zumindest verbal ging Laschet aber auf Distanz zur »Werteunion«, die lediglich rund 4000 Mitglieder haben soll. »Jede Annäherung an die AfD ist mit der CDU nicht zu machen. Wer das tut, kann die CDU verlassen«, sagte Laschet den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zur »Werteunion« sagte er, diese sei kein Teil der Union. »Es ist eine Gruppe außerhalb der Partei, die auch nicht für den konservativen Teil der Union repräsentativ ist«, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident.

Warum Laschet nicht rigoros gegen Rechte im eigenen Laden vorgehen will, liegt auf der Hand. Er muss alle Gruppierungen in der Partei hinter sich bringen. Das ist nicht leicht. Viele hätten lieber den CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder als Kanzlerkandidaten gesehen. In Umfragen sieht es derzeit danach aus, als sollte sich die Union ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Grünen und deren Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock liefern. Ob das so bleibt, wird sich zeigen.

Es gehört aber auch zur Wahrheit, dass Laschet Politiker gefördert hat, die in gesellschaftlichen Fragen in der Union zum rechten Rand gehören. Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei ist der 35-jährige Nathanael Liminski. Er fühlte sich in jungen Jahren erleuchtet, als Joseph Ratzinger zum Papst ernannt wurde, und gründete das Jugend-Netzwerk »Generation Benedikt«. Darüber berichtete mit viel Sympathie die rechtsradikale Zeitung »Junge Freiheit«, für die auch der Vater des CDU-Politikers, Jürgen Liminski, schreibt.

Nathanael Liminski hat sich immer wieder ablehnend über Abtreibungen und Homosexualität geäußert. »Ich kenne viele Homosexuelle, und einige tun mir leid. Der Staat muss schon aus reiner Selbsterhaltung die natürliche Form der Ehe und Familie fördern«, sagte er einmal. Mit dieser Haltung ist er nicht weit von der AfD entfernt. Aber Liminski dürfte klug genug sein, nicht intern für ein Bündnis mit der rechten Partei auf Bundes- oder Landesebene zu werben, zumal dies viele bürgerliche Wähler verschrecken würde.
Im Unterschied zur »Werteunion« müssen Leute wie Liminski ernst genommen werden.

Denn er hat großen Einfluss in der Partei und gilt als wichtigster Berater von Laschet. Manche sehen ihn schon als künftigen Chef des Bundeskanzleramts, wenn die Union die Bundestagswahl gewinnen und Laschet neuer Bundeskanzler werden sollte. Dagegen ist die »Werteunion« vor allem ein Haufen pöbelnder Leute, in deren Reihen sich alle abreagieren können, die noch nicht zur AfD gewechselt sind. So hatte der »Werteunion«-Landesverband Nordrhein-Westfalen kürzlich dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) den Eintritt in die Linkspartei nahegelegt, nachdem dieser die Kandidatur seines Parteikollegen und früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen in Thüringen für den Bundestag kritisiert hatte.

Ein anderer Politiker, der sich möglicherweise ebenfalls mit der AfD im Osten an einen Tisch gesetzt hätte, ist in der CDU mittlerweile kaltgestellt worden. Sachsen-Anhalts früherer CDU-Chef und Innenminister Holger Stahlknecht hat gegenüber der »Zeit« erklärt, er werde der neuen Landesregierung nach der Wahl am Wochenende auf keinen Fall angehören. Stahlknecht war lange als Nachfolger von Ministerpräsident Reiner Haseloff gehandelt worden.

Dieser hatte Stahlknecht vor einem halben Jahr als Innenminister entlassen. Grund dafür war Stahlknechts Aussage in einem Interview, dass die CDU im Falle eines Scheiterns der Koalition mit SPD und Grünen als Minderheitsregierung weiter arbeiten könnte. Dies hätte eine Tolerierung der AfD vorausgesetzt und Haseloff wertete die Aussage von Stahlknecht als Zeichen der Bereitschaft, mit der AfD zu kooperieren. Diesen Vorwurf wies Stahlknecht in der »Zeit« allerdings nun zurück.

Ein Nachteil für Laschet im Bundestagswahlkampf ist, dass er sich in Ostdeutschland nicht sonderlich gut auskennt. Vor allem konservative Katholiken in Nordrhein-Westfalen sind eine wichtige Wählerbasis für ihn. Und nach dieser Kategorie hat Laschet auch seinen Unterstützerkreis aufgebaut. So ist es nicht verwunderlich, dass neben Liminski auch der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Karl-Josef Laumann, in seinem Kabinett vertreten ist.

Lesen Sie auch: Lascher Umgang mit Rechten. Ein Kommentar zu Debatten um den »Werteunion«-Chef Max Otte

Der Arbeitsminister aus Nordrhein-Westfalen fordert etwa immer wieder einen höheren Mindestlohn. Dagegen polemisieren Leute in der CDU wie der frühere Fraktionschef Friedrich Merz, der von Laschet ins Wahlkampfteam berufen wurde und sich Hoffnungen auf einen Ministerposten nach der Bundestagswahl im September machen kann. Doch zunächst müssen sich CDU und CSU auf ein Wahlprogramm einigen, was gar nicht so leicht werden dürfte. Sie haben sich damit mehr Zeit gelassen als andere Parteien und wollen den Text am 21. Juni präsentieren.

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