Billiges Benzin um jeden Preis

Eine Allparteien-Koalition kämpft für fossile Niedrigpreise und geht auf die Grünen los

  • Manfred Kriener
  • Lesedauer: 3 Min.

SPD, CSU, Linkspartei und FDP Schulter an Schulter. Das hat es lange nicht gegeben. Dazu brauchte es erst den Benzinpreis und die Grünen. Ein Traumduo. Dazu die alten Ressentiments aus den 80er Jahren, die reflexartig eine neue Benzinwut entfachen. Aber von Anfang an: Annalena Baerbock, die Spitzenfrau der Umweltpartei, hat ausgesprochen, was zuvor der ADAC vorgerechnet hatte. Mit der neuen Bepreisung des Klimakillers CO2 werden fossile Brennstoffe teurer. Als Folge wird auch der Benzinpreis in den nächsten Jahren steigen. 15 Cent je Liter, befürchtet der ADAC. 16 Cent findet Baerbock richtig und notwendig. Und schon sitzt sie in der Falle. Die Kampagne à la »Die-Grünen-wollen-Autofahren-unbezahlbar-machen« nimmt sofort Fahrt auf. Selbst die FDP entdeckt plötzlich die Ärmsten der Armen. Die müssten, von steigenden Benzinpreisen ausmanövriert, nun wieder zu Fuß gehen, trocken Brot essen und ihren Porsche in der Tiefgarage stehen lassen.

Aber im Ernst: Was ist das für eine verlogene Debatte. Dass die Verteuerung von Kohlenstoff ein wichtiges Instrument für den Klimaschutz ist, wird niemand bestreiten. Deshalb haben die regierenden Koalitionsparteien – nicht die Grünen – dies auch beschlossen, mit einem moderaten Preispfad. Sinn dieser Operation: Fossile Brennstoffe, die Klima, Natur und Umwelt ruinieren, müssen teurer werden, um klimaverträgliches Verhalten zu fördern. Aber: Niemand wird bestraft. Das zusätzlich eingenommene Geld soll zurückerstattet werden, etwa über billigere Strompreise.

Manfred Kriener
Manfred Kriener ist Journalist und schrieb »Leckerland ist abgebrannt«, ein Buch über den rasanten Wandel unserer Esskultur.

Um das Monster einer saftigen Benzinpreiserhöhung so richtig auszumalen, lässt man nun einfach den zweiten Teil dieser Transaktion unter den Tisch fallen. Stattdessen werden für eine Handvoll Wählerstimmen die Autofahrer aufgehetzt. Das hat schon immer geklappt und steht im Handbuch des Machiavellismus. Sobald Politik kompliziert und erklärungsbedürftig wird, kann man sie leicht mit Schreckgespenstern instrumentalisieren. Wie aber soll beim Klimaschutz jemals ernst gemacht werden, wenn bei moderater Lenkungspolitik mit kleinen Preisaufschlägen Hysterie ausbricht?

Natürlich muss Autofahren unattraktiver und teurer werden. Ein niedrig gehaltener Benzinpreis subventioniert vor allem die reichen Männer, ärmere Schichten und Frauen fahren dagegen deutlich weniger Auto. Glaubt zudem ernsthaft jemand, dass allein mit dem – extrem langsamen – Austausch der Antriebstechnik von fossil nach elektrisch die Klimaziele erreichbar und die Mobilitätskrise lösbar wären? Die Stichworte: Erdüberhitzung, Aggression im Straßenverkehr, Dieselabgase, verstopfte Innenstädte, Urbanitätsverlust, Flächenfressen, Lärm, Feinstaub, Unfallopfer. Beim Klimaschutz steht der Verkehrssektor bisher jedoch an letzter Stelle. Alle Reduktionsziele wurden regelmäßig verfehlt.

Blickt man in den Bundesverkehrswegeplan, der die Verkehrsentwicklung der Zukunft skizziert, bekommt man das Grauen. Alle Wegweiser stehen auf volle Fahrt voraus für den motorisierten Verkehr. Der Straßen-Güterverkehr, der zu 99 Prozent fossil unterwegs ist, soll um 39 Prozent bis 2030 zulegen! Der Auto-Personenverkehr soll jedes Jahr um ein Prozent wachsen. Der Flugverkehr um jährlich fünf Prozent. Solche Wachstumsraten sind blanker Irrsinn. Dem motorisierten Verkehr muss Einhalt geboten werden, er muss schrumpfen. Das ist nicht populär, aber dringend notwendig.

Bei der Ausrufung von Klimazielen überbieten sich die Parteien mittlerweile. Selbst die Union trägt grün. Immer neue Reduktionsziele werden verkündet. Doch sobald es konkret wird, sobald es nicht mehr um ferne Ziele geht, werden Vorurteile gegen den »Umweltzirkus« bedient, werden fossile Besitzstände verteidigt. Benzin soll billig bleiben, um jeden Preis. Die Haltung, wir machen Klimaschutz, aber er darf bitteschön niemandem weh tun, wird aber nicht funktionieren. Wenn jede unpopuläre Maßnahme benutzt wird, die Menschen aufzubringen, anstatt sie mitzunehmen, wird die Klimapolitik grandios scheitern. Der Erfolg der Grünen zeigt, dass dies viele Menschen längst verstanden haben.

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