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Rassismus in Behörden

Hunderte Beschwerden wegen staatlicher Diskriminierung binnen eines Jahres

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Oft ist es Alltagsrassismus, unter dem Menschen mit Migrationsgeschichte im Umgang mit der Polizei leiden: Polizist*innen, die Schwarze häufiger kontrollieren als Weiße, sie dann noch nachäffen, fragen, wo sie denn eigentlich herkommen oder bei Nachbarschaftsstreits eher Weißen glauben und nicht weiße Personen als aggressiv darstellen. Insgesamt 313 Beschwerden sind seit Inkrafttreten des Berliner Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) vor einem Jahr bei der Ombudsstelle eingegangen, davon 111 wegen Rassismus und 96 wegen Behindertenfeindlichkeit. 233 fielen unter den Geltungsbereich des LADG, die anderen Fälle fanden entweder vor dessen Inkrafttreten statt oder bezogen sich nicht auf Diskriminierung durch Berliner Behörden, wie die Leiterin der Ombudsstelle, Doris Liebscher, am Dienstag bei der Vorstellung der Bilanz erklärt. Die Zahl der Beschwerden steige kontinuierlich.

50 der gemeldeten Diskriminierungen betrafen die Polizei, 38 davon fielen in den Geltungsbereich des LADG, in 21 Fällen geht es um Rassismus. Kein Wunder, dass der Widerstand der Polizeigewerkschaften gegen das Gesetzesvorhaben groß war. Von einem Generalverdacht war die Rede, Schreckensszenarien von Klagewellen und unberechtigten Anschuldigungen, die die Arbeit der Polizei verunmöglichen würden, wurden an die Wand gemalt. Innenminister mehrerer Bundesländer kündigten an, keine Polizeibeamt*innen mehr nach Berlin zu entsenden.

Die ersten Erfahrungen zeigen: Die Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Geklagt hat bislang niemand, auch die Arbeit der Polizei wird dadurch nicht beeinträchtigt, berichtet Thilo Cablitz, Pressesprecher der Berliner Polizei und selbst Person of Color. Derlei »herbeigeredete Sorgen« über ungerechtfertigte Anschuldigungen seien ein »Schlag ins Gesicht derjenigen, die tatsächlich diskriminiert werden«. Die Polizei wolle und müsse sich der Kritik stellen, betont Cablitz, das sähen auch die meisten seiner Kolleg*innen so. Das LADG stärke die Gleichbehandlung und Menschenwürde, mache polizeiliches Handeln nachvollziehbarer und trage zur Reflexion der Behörden bei. »Was kann man da dagegen haben?«

Nun fällt es vielen Menschen schwer zuzugeben, dass sie gesellschaftliche Vorstellungen in sich tragen, die rassistisches Handeln zur Folge haben können. Hier bedarf es einer kritischen Selbstreflexion und der Entwicklung einer Fehlerkultur, wozu das LADG einen großen Beitrag leiste, sagt der Rechts- und Politikwissenschaftler Hartmut Aden, der an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht angehende Polizist*innen ausbildet. Die Forschung zeige, je unklarer die Vorgaben sind, desto eher würden die Beamt*innen anhand ihrer Vorurteile etwa Polizeikontrollen durchführen. Kein Wunder, dass Beratungsstellen seit der Pandemie und den damit verbundenen weitergehenden Befugnissen für Polizist*innen einen starken Anstieg von Racial Profiling, also Kontrollen aufgrund der Hautfarbe, verzeichnen. Hier kann das LADG helfen, wovon letztlich alle profitieren. »Die Akzeptanz für polizeiliches Handeln ist umso größer, wenn die Menschen es als fair empfinden«, so Aden.

Die Betroffenen werden in der Ombudsstelle beraten, die in Streitfällen vermittelt. Dabei arbeitet sie eng mit der Beschwerdestelle der Berliner Polizei zusammen. Nicht immer komme man dabei zur gleichen Einschätzung sagt Doris Liebscher. Häufig würde innerhalb der Polizei Kolleg*innen eher geglaubt als den Betroffenen. Dieser Korpsgeist sollte einem (selbst)kritischem Blick weichen, ist sie sich mit Polizeidirektor Cablitz einig. »Wenn Fehlverhalten vorliegt, muss man das einräumen und sich entschuldigen«, findet er. »Die Leute wollen nicht klagen, in der Regel wollen sie eine Anerkennung, dass ihnen Unrecht passiert ist«, weiß Liebscher. Ohne Zeugen ist die Diskriminierung jedoch oft schwer nachweisbar, bisher konnten lediglich fünf Fälle rassistischer Diskriminierung durch die Polizei bestätigt werden, Konsequenzen gab es keine. Neben der Polizei richten sich die Beschwerden vor allem gegen Ämter oder die BVG.

Bislang ist Berlin das einzige Bundesland mit einem Landesantidiskriminierungsgesetz gegen staatliche Ungleichbehandlung. Andere wollen jedoch nachziehen: In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben sich die neuen Koalitionen im Mai darauf geeinigt, ein LADG auf den Weg zu bringen. Brandenburg, Hamburg, Hessen und Sachsen wollen laut einer Umfrage des Mediendienstes Integration zumindest prüfen, ob es gesetzliche Lücken beim Diskriminierungsschutz gibt und ob es ein Gesetz braucht.

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