Badespaß am Helenesee fällt ins Wasser

Gewässer bleibt gesperrt, weil die Untersuchungen nach Böschungsrutschung im März noch andauern

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir können froh sein, dass das im März passiert ist und nicht im Hochsommer«, sagt die Landtagsabgeordnete Sahra Damus (Grüne) erleichtert. Am Ostufer des Helenesees sind auf einer Länge von 27 Metern 500 Kubikmeter Böschung abgerutscht. Ein Foto zeigt die verwüstete Stelle am Strand; ein Zaun ist bis ins Wasser gerutscht. »Ich habe da ein sehr mulmiges Gefühl«, gesteht Damus. Genau an dieser Stelle hat sie im Sommer schon gesessen.

Am 9. März wurde dem brandenburgischen Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe gemeldet, was am südlich von Frankfurt (Oder) gelegenen Helenesee geschehen ist. Inzwischen ist der westliche, östliche und nördliche Teil des Sees gesperrt. Denn sollte so etwas noch einmal passieren, besteht Gefahr für Leib und Leben. Das Südufer darf bereits seit dem Jahr 2010 nicht mehr betreten werden, weil es Zweifel an seiner Festigkeit gibt. Der beliebte Badesee ist nun also komplett abgesperrt.

Die Geschichte des Gewässers
  • Der Helenesee ist etwa 250 Hektar groß; vom Grund bis zur Wasseroberfläche sind es an der tiefsten Stelle ungefähr 70 Meter.
  • 1960 wurde das gesamte Gebiet um den Helenesee zum Landschaftsschutzgebiet erklärt.
  • Zu DDR-Zeiten erfolgte keine geotechnische Sicherung, sondern lediglich die Vorbereitung für den Badebetrieb.
  • Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre erfolgten verschiedene Sicherungsarbeiten, zum Beispiel am Westufer im Bereich des Taucherlagers und am Nordufer zwischen Hauptstrand und Seglerheim. Am Westufer wurde zur Sicherung eine Pfahlwand eingebaut. Außerdem mussten die Schäden einer Rutschung im Sommer 1999 beseitigt werden.
  • An einem normalen Sommertag kommen 3000 Tagesgäste an den Helenesee, an einem heißen Sonntag im Jahr 2019 waren es aber auch schon einmal 8000. Ihnen standen 1350 Meter Strand zur Verfügung. af

»Wir wollen erfahren, ob es Möglichkeiten gibt, dieses Jahr wenigstens wieder den Hauptstrand zu öffnen«, sagt Linksfraktionschef Sebastian Walter am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss des Landtags. Zum Sachstand und zum weiteren Vorgehen hatte seine Partei einen Bericht des Wirtschaftsministeriums und des Landesbergamts beantragt. Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) übergibt dazu sogleich an den Fachmann Uwe Sell - Abteilungsleiter Braunkohle im Landesbergamt.

Der Helenesee entstand dadurch, dass sich das Restloch des 1943 aufgeschlossenen Braunkohletagebaus Helene mit wieder aufsteigendem Grundwasser füllte. Die Kohleförderung wurde hier 1958 wegen geotechnischer Schwierigkeiten eingestellt. Von da ab dauerte es zwölf Jahre, bis der Wasserspiegel sein endgültiges Niveau erreichte. In den 70er Jahren wurden die Ufer abgeflacht, um das Gewässer auf die touristische Nutzung vorzubereiten. Wer das veranlasste, wird jetzt in den Archiven recherchiert, erklärt Abteilungsleiter Sell. Es geht dabei auch um die Frage, wer für eine eventuell notwendige Sanierung verantwortlich ist - womöglich die Lausitzer- und Mitteldeutsche Bergbauverwaltungsgesellschaft (LMBV), die sich im Auftrag von Bund und Ländern um die langwierige Rekultivierung alter Tagebaue aus DDR-Tagen kümmert.

Es könnte sein, dass alles nicht ganz so schlimm ist wie befürchtet und der Strand nach einigen kleineren Maßnahmen bereits in naher Zukunft wieder geöffnet werden kann. Es kann aber auch sehr lange dauern und sehr teuer werden - wenn es so schlimm kommt wie beispielsweise am Knappensee in Sachsen. Dieser ebenfalls sehr beliebte Badesee sei wegen Lebensgefahr an den Böschungen bereits im Jahr 2008 gesperrt worden und immer noch nicht wieder freigegeben, erklärt Uwe Sell. Erst dieses Jahr habe es dort wieder Rutschungen gegeben.

Auch in Brandenburg sind solche Probleme mit Tagebauseen an anderer Stelle bereits aufgetreten. So rutschte im Jahr 2018 ein erheblicher Teil einer unsanierten Insel im Senftenberger See ab, was die Sperrung einer von solchen Ereignissen mit bedrohten Bucht erforderlich machte.

Die komplette Sperrung des Helenesees ist eine kleine Katastrophe, handelt es sich doch um ein wichtiges Naherholungsgebiet von Frankfurt (Oder), das aber auch Gäste von weit her anlockt. An Bungalowsiedlungen, Campingplatz und Gastronomie hängen Arbeitsplätze und damit Existenzen. Was sollen die Gewerbetreibenden und ihre Beschäftigten tun, wenn dort erst einmal kein Geschäft zu machen ist? Ist das Wirtschaftsministerium schon auf sie zugegangen? Bis jetzt nicht, sagt Minister Jörg Steinbach. Erst einmal warte man noch ab, ob die Sache relativ glimpflich abgeht. »Die Hoffnung stirbt zuletzt«, sagt er.

Uwe Sell kann immerhin schon verraten, dass die Pächter Anspruch auf eine Entschädigung haben, wenn sie unverschuldet zur Untätigkeit verdammt sind. Dies sei gesetzlich so geregelt, erläutert der Fachmann. Die wirtschaftliche Bedeutung des Sees ist dem Landesbergamt bewusst. Darum mussten triftige Gründe für die Sperrung vorliegen. Deshalb wurde der See nicht sofort nach der Rutschung gesperrt, sondern erst am 21. Mai, nachdem ein Sachverständiger der BIUG GmbH die Ursache der Rutschung erkannt und festgestellt hatte, dies könne so jederzeit wieder passieren. »Dies ist der zentrale Satz«, hält Uwe Sell fest.

Die Abflachung der Ufer in den 70er Jahren habe die Rutschung mit verursacht, begünstigt wohl vor allem durch den von trockenen Jahren verursachten niedrigen Wasserspiegel: Seit 1971 war nicht mehr so wenig Wasser im Helenesee wie jetzt.

Ob es denn angezeigt sei, den benachbarten Katjasee, auf den jetzt viele Badegäste ausweichen, vorsorglich ebenfalls zu sperren, will die Grünen-Politikerin Damus wissen. Im Moment bestehe dazu kein Anlass, beruhigt Uwe Sell. Der genauso durch den Braunkohletagebau entstandene Katjasee sei im Gegensatz zum Helenesee schon umfänglich saniert worden. Bei dem nun in Auftrag gegebenen Gutachten, was am Helenesee geschehen muss - dazu ist unter anderem eine Unterwasservermessung der Böschung per Laserscannung vorgesehen - solle jedoch trotzdem mit betrachtet werden, ob auch der Katjasee noch einmal angefasst werden müsse. Linksfraktionschef Walter glaubt, dass die LMBV für die Sanierung zuständig sei, und und fordert, dass diese »die notwendigen Mittel schnell und unbürokratisch auszahlt«. Es sei schon viel Zeit verschenkt worden.

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