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Der Traum wird doch wahr
Saeid Fazloula war zum politischen Spielball geworden. Nun darf er zu Olympia
Saeid Fazloula macht kein Geheimnis aus den Emotionen, die ihn am Dienstag durchfluteten. »Ich habe am ganzen Körper gezittert«, gesteht der junge Mann, der vor dem Laptop saß, als ein mächtiger Mann seinen Namen aussprach. Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), verlas die Liste der Athleten, die in wenigen Wochen bei den Olympischen Spielen in Tokio als Refugee Team starten werden. Kanute Fazloula gehört zu den 29 Sportlern, die ihre Heimat wegen Krieg oder Verfolgung verlassen mussten, offiziell beim Flüchtlingshilfswerk UNHCR als Geflüchtete anerkannt sind, ihren Traum von einer Olympiateilnahme aber nicht aufgeben wollten. Sechs der 29 leben und trainieren in Deutschland, der gebürtige Iraner Fazloula hat in Karlsruhe eine neue Heimat gefunden.
Mit Alaa Maso, einem syrischen Schwimmer, der nun in Hamburg lebt, hatte Fazloula schon einmal Kontakt. Die anderen Mitglieder des Teams kennt er nur aus den Medien. »In ein paar Wochen sollen wir uns alle in Katar treffen«, erzählt Fazloula. Genaue Details kennt er noch nicht, aber das ist für ihn kein Problem, denn er ist voller Vorfreude, dass sein Traum Realität wird. Die Pandemie hat ihm dabei geholfen.
Vor einem Jahr war die Lage aussichtslos, denn der Kanute war zwischen die Mühlsteine der Sportpolitik geraten. Obwohl Fazloula alle Voraussetzungen erfüllte, um in das Flüchtlingsteam aufgenommen zu werden, stand er nicht auf der Liste. Niemand sprach offiziell darüber, aber hinter vorgehaltener Hand wurde eingeräumt, dass der Iran seinen Einfluss geltend gemacht und den Kanuten ausgebremst hatte. Der internationale Kanuverband und das IOC machten sich mit dem Verweis auf Bestimmungen und Regelungen wechselseitig dafür verantwortlich, dass Fazloula die Aufnahme ins Flüchtlingsteam verweigert wurde. Durch die Verschiebung der Spiele ins Jahr 2021 und die dadurch gewonnene Zeit änderte sich das - weil der Einfluss des Regimes in Teheran schwand. Vor einem Jahr stand kein Iraner auf der Liste des Refugee Teams, jetzt sind es fünf.
»Ich werde bei der Eröffnungs- und der Schlussfeier dabei sein«, schwärmt Fazloula, der 2015 über die Balkanroute aus dem Iran nach Deutschland floh. In seiner Heimat war ihm mit der Todesstrafe gedroht worden, nachdem er während der WM in Italien ein Foto vom Mailänder Dom, einer christlichen Kirche, gemacht hatte. Nach der Rückkehr kam er zwei Tage in Gewahrsam, ihm wurde der Wechsel der Religion vorgeworfen. Aus dem Vorzeigeathleten, der bei den Asienspielen 2014 noch Silber gewonnen hatte, war plötzlich ein Feind des Staates geworden - Fazloula entschloss sich daraufhin zur Flucht.
Die Ängste und die entbehrungsreiche Reise liegen nun fast sechs Jahre zurück. Inzwischen ist Karlsruhe seine Heimat, wo er beim Kanuklub Rheinbrüder Unterstützung fand und sich erstaunlich schnell integrierte. Ein paar Tage vor dem Flug in Richtung Tokio wird er eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann abschließen, Deutsch spricht er längst fließend.
Im Flüchtlingsteam ist er deshalb ein positives Beispiel, und das IOC nutzt ihn und die übrigen Mitglieder für (sport)politische Zwecke. »Die Athlet*innen des Refugee Olympic Teams werden anhand ihrer sportlichen Leistungen sowie ihres persönlichen Hintergrundes ausgewählt«, heißt es offiziell. Eine sportliche Qualifikation ist nicht zwingend Voraussetzung, um aufgenommen zu werden, eine besondere Geschichte hinter der Flucht reicht mitunter aus.
So wie bei Yusra Mardini, der syrischen Schwimmerin, die schon 2016 im Flüchtlingsteam dabei war und weltweit Aufmerksamkeit erhielt, weil sie mit ihrer Schwester und zwei weiteren Flüchtlingen über mehrere Stunden schwimmend ein Boot, in dem 18 Personen saßen und bei dem der Motor ausgefallen war, in der Ägäis bis nach Lesbos gezogen hatte. Mardini ist nun erneut im Team dabei und wird in Tokio über 100 Meter Schmetterling schwimmen. Eine Chance, dieses Mal den Vorlauf zu überstehen, hat die mittlerweile 23-Jährige höchstwahrscheinlich wieder nicht.
Bei Fazloula ist das anders, beim hochkarätig besetzten Weltcup vor ein paar Wochen in Szeged wurde er 19., in Tokio ist das Erreichen des Halbfinales möglich. Für den Kanuten aus dem Iran ist das nicht entscheidend. Für ihn zählt der Olympische Grundgedanke: »Ich kann dabei sein, das bedeutet alles für mich.«
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