Senioren im Straßenverkehr nicht sicher

Prüfgesellschaft Dekra fordert verbindliche Fahrtauglichkeitstests und bessere Busverbindungen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Rentner verirrt sich auf der Autobahnraststätte, nimmt statt der Ausfahrt die Einfahrt und stößt dort frontal mit einem anderen Fahrzeug zusammen. Ein Rentner will ein ganzes Stück vor dem Fußgängerüberweg vor einem bei Rot haltenden Lastkraftwagen die Straße passieren. Der Lkw-Fahrer bekommt Grün, übersieht den Rentner und überfährt ihn. Ein Rentner weicht von einem eisglatten Fußweg mit seinem Rollator auf die Straße aus, wird in einer leichten Kurve von einem Autofahrer nicht rechtzeitig gesehen und totgefahren.

Das sind drei Beispiele dafür, dass der Straßenverkehr nicht nur für Kinder, sondern auch für Senioren besonders gefährlich ist. Die Prüfgesellschaft Dekra hat am Montag ihren Verkehrssicherheitsreport 2021 für das Land Brandenburg vorgestellt und dabei den Schwerpunkt auf die Situation älterer Menschen gelegt.

Mirco Brunnert und Jens-Peter Schultze von den Dekra-Niederlassungen in Potsdam und Oranienburg machten darauf aufmerksam, dass die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland im vergangenen Jahr coronabedingt um 11,5 Prozent auf 2405 gesunken ist. In Brandenburg sei die Zahl der Unfalltoten aber - obwohl es auch hier wegen der Pandemie weniger Verkehr gab - um zwölf Prozent auf 140 gestiegen. Darunter befanden sich 52 Senioren. Im Jahr zuvor waren im Straßenverkehr nur 44 Brandenburger im Seniorenalter umgekommen. Zwei Prozent der Todesopfer im Jahr 2020 waren Kinder, 14 Prozent junge Erwachsene - und 37 Prozent Senioren!

Zwar sei zu berücksichtigen, dass der Bevölkerungsanteil der über 65-Jährigen zunimmt, erklären die Experten der Dekra. Doch gerade, weil in Brandenburg in Zukunft noch mehr Senioren leben werden, sei es wichtig, das Augenmerk auf deren Sicherheit im Straßenverkehr zu lenken.

Innerhalb von Ortschaften sind 75 Prozent der betagten Todesopfer als Fußgänger oder Radfahrer verunglückt, außerhalb von Ortschaften saßen sie oft selbst am Steuer eines Autos. Dass sie rasen oder riskant überholen würden, ist nicht das Problem der alten Autofahrer. Mit einer derart leichtsinnigen Fahrweise tun sich insbesondere junge Männer hervor. Die Alten - bei ihnen gibt es da keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen - missachten die Vorfahrt oder haben beim Abbiegen oder Rückwärtsfahren nicht alles im Blick. Das ist bei ihnen keine Absicht. Sie sehen oder hören schlechter als in ihrer Jugend, sind auch nicht mehr so beweglich im Nacken oder im Rücken, was beim Schulterblick stört. Außerdem lässt im Alter die Reaktionsschnelligkeit nach.

»Ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit ist da gefordert«, meinte Jens-Peter Schultze. Man könnte auch formulieren: bedauerte Schultze. Denn die Dekra würde sich wünschen, dass Senioren mit 75 oder spätestens 80 Jahren einen Sehtest machen und mit einem Experten eine Fahrt unternehmen müssen, der beurteilt, ob sie gesundheitlich noch in der Lage sind, ein Kraftfahrzeug zu führen.

Geredet wird darüber schon ewig, nur ist bislang nie etwas daraus geworden - und es ist nicht anzunehmen, dass irgendeine Partei wagt, die Stimmen von älteren Bürgern zu verlieren, indem sie obligatorische Fahrtests für Senioren jetzt kurz vor der Bundestagswahl fordert. Solange es keine gesetzliche Regelung gibt, bleibt Schultze nichts anderes übrig, als die Senioren darum zu bitten, sich mit dem Hausarzt oder Angehörigen zu besprechen, ob diese glauben, dass man noch fahrtauglich sei oder lieber nicht mehr fahren sollte. Schulze kennt privat keinen Rentner, der sich oder andere in Gefahr bringen will. Er weiß aber, dass Senioren in abgelegenen ländlichen Regionen auf ihren Pkw angewiesen sind. Hier müsste die Politik dafür sorgen, dass wieder Busse fahren. Es wäre aber auch möglich, Rentnern, die das noch schaffen, nur Autofahrten im Umkreis von 50 Kilometern um ihren Wohnort zu erlauben. Dort kennen sie die Strecken und kommen weiter zum Einkaufen und zum Arzt. Nur lange Urlaubsreisen oder Ausflüge mit dem Auto wären ihnen dann verwehrt.

Mirco Brunnert sieht darüber hinaus die Möglichkeiten von Assistenzsystemen moderner Fahrzeuge, die für alte Menschen eine große Hilfe sein können: Automatisches Spurhalten sowie Ein- und Ausparken sind Beispiele dafür oder ein Navigationsgerät, das die Orientierung erleichtert. Allerdings müssten solche Systeme serienmäßig und nicht nur gegen Aufpreis eingebaut werden - und sie müssten so benutzerfreundlich sein, dass auch Senioren mit der Technik klarkommen, die schon jüngere Menschen vor Probleme stellen kann.

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