- Politik
- Frauen in der Roten Armee
Anflug der Nachthexen
In der Roten Armee kämpften viele Frauen. Doch ihre Leistungen wurden kaum gewürdigt
Sie kamen unbemerkt und lautlos in der Nacht und verschwanden, bevor ihren Gegnern bewusst wurde, was gerade geschehen war. Das Regiment der Roten Armee, in dem während des Zweiten Weltkriegs ausschließlich Frauen Bombenangriffe flogen, war bald gefürchtet. Sie flogen im Schutze der Dunkelheit ihre Ziele an, stellten den Motor aus und warfen die Bomben im Gleitflug ab. Wegen der überraschenden Angriffe bei absoluter Stille bezeichneten die deutschen Truppen sie als »Nachthexen«.
Oder auch als Flintenweiber - denn die kämpfenden Frauen in der Roten Armee stellten die traditionellen Geschlechterrollen der Nazis auf den Kopf. Die sowjetischen Kämpferinnen erweckten in den deutschen Soldaten ein Gefühl von Kontrollverlust und Ohnmacht. Um den Kampf gegen Frauen zu legitimieren, zeichneten sie ein Bild der Frauen als unmenschliche Kreaturen, die kaltherzig, unweiblich und kompromisslos töteten und sich nicht an Kriegsregeln hielten.
An vorderster Front
Von 1941 bis 1945 kämpften bis zu eine Million Frauen in der Roten Armee. Kein anderes Heer hatte zuvor Frauen in den Truppen, die Gefechtsaufgaben als Panzerfahrerinnen, Scharfschützinnen oder Pilotinnen übernahmen. Dabei wurden sie in geschlechtlich gemischten und in reinen Frauentruppen eingesetzt. Zwar spielten Frauen auch in anderen Kriegen eine Rolle, jedoch meist als Köchinnen oder Sanitäterinnen.
Die Verteidigung gegen Nazideutschland wurde als Männersache definiert. Zwar wurden ab September 1939 Frauen mit medizinischer oder technischer Ausbildung für Aufgaben einberufen, die nicht an der Front zu erfüllen waren - damit mehr Männer an die direkte Kampflinie rücken konnten. Je weiter Hitlers Vernichtungskrieg voranschritt, desto mehr verschwammen die traditionellen Geschlechterrollen und mehrere zehntausend Frauen meldeten sich, um in den direkten Kampfeinsatz zu ziehen. Vor allem in der Luftwaffe wurden sie eingesetzt.
Es wäre ein leichtes, ein Bild von emanzipierten Märtyrerinnen zu zeichnen, die sich im Kampf gegen die Aggressoren dem Kugelhagel stellen. Doch sie wurden keine Heldinnen. Und der Preis, den sie zahlten, war hoch. Die völlige Erschöpfung, Hunger, Ekel, Kälte und die Angst vorm Sterben und Töten trafen alle Beteiligten.
Doch der Große Vaterländische Krieg war für Soldaten und Soldatinnen nicht gleich. Uniformen wurden nur für Männer produziert, und so mussten die Rotarmistinnen in schlecht sitzender Ausrüstung und zu großen Stiefeln körperliche Höchstleistungen vollbringen. Obwohl sie sich ständig beweisen mussten, erfuhren sie zahlreiche Diskriminierungen durch ihre Kameraden, die sie für zu schwach und ungeeignet hielten, und erlebten sexuelle Gewalt bis hin zur Vergewaltigung durch Menschen, die eigentlich ihre Verbündeten sein sollten. Nahmen Männer sie in Schutz, werden die Rotarmistinnen für den angeblichen Moralverfall verantwortlich gemacht.
Im Schatten der Erinnerung - Sowjetische Kriegsgefangene, die größte Opfergruppe dieses Vernichtungskrieges, sind in der bundesrepublikanischen Erinnerungskultur bis heute kaum präsent.
Der Sieg war Männersache
Die Frauen, die in der Roten Armee kämpften, hatten ihren Beitrag geleistet, den Krieg zu gewinnen. Zurück in der Normalität waren sie Verliererinnen, denn die Gesellschaft, in die sie zurückkehrten, machte ihnen das Leben schwer. Es herrschte ein Konkurrenzkampf um die verbliebenen Männer. Die Rotarmistinnen wurden bezichtigt, verheiratete Offiziere verführt zu haben und entsprachen aufgrund körperlicher und psychischer Beeinträchtigungen nicht dem, was sich Männer als Ehefrauen vorstellten. Viele Rückkehrerinnen konnten aufgrund von Kriegsverletzungen keine Kinder gebären.
Unmittelbar nach dem Krieg wurden viele Frauen aus der Armee entlassen. Der Sieg über die Wehrmacht wurde den Männern angerechnet. Sie wurden als Helden gefeiert. Viele Frauen hingegen wurden ihrer Leistung, ihrer Erfahrung und ihres Stolzes beraubt.
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