Werbung

Profite auf dem Rücken der Produzenten

Studie: Arbeiter in Zulieferbetrieben deutscher Lebensmitteldiscounter haben nichts vom Umsatzplus

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Umsatzboom auf der einen, prekäre Arbeits- und Einkommensverhältnisse auf der anderen Seite: Deutsche Supermärkte haben 2020 enorme Umsatzzuwächse erlebt, die Vermögen der Eigentümer wuchsen teils um ein Drittel. Dagegen wurde an den Löhnen der Menschen gespart, die für uns Südfrüchte, Wein, Kaffee und Tee produzieren. Das belegt eine Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam an Beispielen aus vier Ländern.

Laut dem neuen Bericht »Pandemie-Profiteure und Virus-Verlierer*innen« stiegen die Umsätze der großen Discounter hierzulande 2020 um neun (Aldi, Lidl) bis 17 Prozent (Rewe, Edeka). Produzenten von Südfrüchten, Kaffee und Tee haben vom Boom jedoch nicht profitiert - im Gegenteil. »Die Arbeiter*innen, die unser Essen herstellen, kämpfen um ihre Existenz«, sagte Tim Zahn, Oxfam-Experte für Wirtschaft und Menschenrechte am Montag in Berlin.

Oxfam-Recherchen in Brasilien, Indien, Südafrika und Thailand ergaben, dass es Corona-bedingte Entlassungen in allen vier Ländern gegeben hat, von denen Frauen überdurchschnittlich häufig betroffen waren. Zudem sei der Schutz gegen Covid-19 mangelhaft gewesen, heißt es im Bericht. Abstandsregeln, Hygienevorschriften wurden nur partiell eingehalten, Masken oft nicht zur Verfügung gestellt.

Laut Report klafft überall eine Lücke zwischen den realen Löhnen und den Beträgen, die nach Berechnungen von Gewerkschaften und sozialen Organisationen existenzsichernd wären. Auf den Kaffeeplantagen des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais beträgt sie 40 Prozent, auf Teeplantagen im indischen Bundesstaat in Assam 81 Prozent. Dort erhalten Teepflückerinnen umgerechnet nur 1,91 Euro pro Tag. Besonders dramatische Verhältnisse fanden die Oxfam-Rechercheure in Brasilien. Dort konnten sie Verbindungen zwischen deutschen Supermarktketten und den Besitzern von Plantagen belegen, die in dem südamerikanischen Land auf der »Schmutzigen Liste« der Regierung wegen »moderner Sklaverei« stehen.

Arbeiter*innen, mit denen Oxfam-Vertreter*innen sprachen, berichteten von Unterkünften ohne fließendes Wasser, körperlich extrem harter Arbeit und fehlendem Schutz gegen Pestizide und das Coronavirus. Von ihren geringen Löhnen müssen sie sich auch noch Ausrüstung und Schutzkleidung kaufen und sich dafür bei den Plantagenbesitzern verschulden.

Permanente Abwertung - Bundesweite Tarifverträge sind im Einzelhandel trotz Coronakrise nicht in Sichtweite

Oxfam fordert einen angemessenen Schutz der Arbeiter*innen in globalen Lieferketten vor Covid-19 und Lohnfortzahlungen bei Erkrankung. Die Supermarktketten müssten ihr Geschäftsmodell so ändern, dass die Beschäftigten im globalen Süden von ihrer Arbeit leben können und ihre Rechte geachtet werden. Das kürzlich vom Bundestag beschlossene Lieferkettengesetz ist nach Einschätzung von Oxfam nur eine »Minimallösung« und muss dringend »nachgeschärft« werden.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!