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Eine Pariser Nacht
Zirkus Europa: Die Portugiesen haben an den starken Gegner Frankreich eine besonders motivierende Erinnerung
Jetzt noch mal gegen Frankreich. Ach, das waren noch Tage, schwärmen sie in Porto und Lissabon und überall sonst in Iberien, wo nicht Spanisch gesprochen wird. Knapp fünf Jahre ist das jetzt her, dass das kleine Fußballland Portugal den größten Erfolg seiner Geschichte feierte. 1:0 im EM-Finale von Paris gegen den Gastgeber Frankreich, bejubelt daheim von zehn Millionen Portugiesen und noch mal 1,3 Millionen im französischen Exil. Die Wirtschaftskrise daheim hat die Portugiesen schließlich über ganz Europa verstreut.
Die Nation feierte in der Nacht von Paris so exzessiv wie zuletzt die Befreiung vom Diktator Salazar, und die liegt schon bald ein halbes Jahrhundert zurück. Vom Stade de France am nördlichen Stadtrand bis zu den Champs Élysees im Zentrum wälzte sich über Stunden ein lärmender Autokorso, alles hupte und grölte »Portugal olé!«, aus den Fenstern flatterten grün-rote Fahnen.
Im Sommer 2021 sieht es nicht ganz so gut aus. Schon das 3:0 zum Auftakt gegen Ungarn gestalteten die Senhores Ronaldo und Co. nur vom Ergebnis her überzeugend. Beim zweiten Spiel am Samstag in München gegen Deutschland war die Überlegenheit des Gegners so drückend, dass »A Bola«, so etwas wie der portugiesische »Kicker«, den nicht ganz so modernen Vergleich formulierte, da seien wohl deutsche Panzer über den Rasen gerollt.
Nun trifft es sich also schön, dass zum Vorrundenfinale am Mittwoch in Budapest die lieben Freunde aus Frankreich warten. Auf dass die Portugiesen in Erinnerungen schwelgen können. An die Nacht von Paris, an den Nationalhelden Cristiano Ronaldo, der im entscheidenden Moment zeigte, dass er doch mehr ist als ein arroganter Schnösel mit einem gewissen Geschick für den Umgang mit dem Ball: Der Franzose Dimitri Payet hat ihn früh recht unmotiviert aus dem Spiel getreten, aber Ronaldo schert sich einen Dreck um seinen lädierten Knöchel. In der kurzen Auszeit vor der Verlängerung humpelt er von seinem Behandlungstisch zurück an die Seitenlinie, an der er sich so humorlos abarbeitet, wie es gemeinhin jenen deutschen Panzern nachgesagt wird, die der Kollege von »A Bola« am Mittwoch durch München rollen sah.
In der Halbzeitpause der Verlängerung führt er noch ein kurzes Gespräch mit dem gerade eingewechselten Stürmer Éder, der eigentlich Éderzito António Macedo Lopes heißt, aber das weiß kaum einer in Portugal. Ronaldo weist den Kollegen an, er möge jetzt doch bitte das Siegtor schießen. Weil das Wort des Weltstars in der Seleção Gesetz ist, gehorcht Éder und schießt Portugal zum Gewinn der Europameisterschaft.
Für dieses Tor wird ihn Portugal ein Leben lang lieben, auch wenn danach nicht mehr viel zu hören war von Éderzito António Macedo Lopes. Er ist jetzt 33 Jahre alt, drei Jahre jünger als Cristiano Ronaldo, der Portugal immer noch anführt und daran nichts zu ändern gedenkt, wie er ja auch nichts wissen will von einem möglichen Scheitern des Europameisters in Budapest. Kann schon sein, dass der Gegner die beste Mannschaft der Welt ist, Ronaldo denkt in anderen Kategorien. Sechsmal hat er bisher gegen Frankreich gespielt und noch kein einziges Tor geschossen. Der Mittwoch wäre kein schlechter Zeitpunkt für eine späte Premiere.
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