Polizei kein Helfer

Nach Übergriff auf Letten unter Beteiligung eines Polizisten wird gegen den Geschädigten ermittelt

  • Dirk Farke
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach einem Überfall auf einen lettischen Staatsangehörigen in Freiburg im Breisgau wird auch in der einst als links-alternativ geltenden Stadt vermehrt über rechte in den Reihen der Sicherheitsbehörden diskutiert. Der Grund: An dem Angriff von rund einem Dutzend Personen auf den Letten am 12. Juni war mindestens ein Polizist beteiligt.

Die Freiburger Autonome Antifa schildert die Attacke am Abend des 12. Juni in einer ausführlichen Stellungnahme. Das 35-jährige Opfer trug demnach ein T-Shirt einer Punk-Band und einen Irokesen-Haarschnitt und war, vom Stadtteil Stühlinger kommend, auf dem Heimweg in den Stadtteil Haslach. An einer Ampelkreuzung standen plötzlich fünf angetrunkene Männer vor ihm, pöbelten ihn an und grölten: »Ausländer raus!« Er wollte schnell an ihnen vorübergehen, doch sie verfolgten ihn rund ein halbe Stunde lang. Der von dem Betroffenen als Haupttäter beschriebene Mann schrie mehrmals: »Verschwinde, Du Schwuchtel, wenn ich Dich nächste Woche treffe, erschieße ich Dich«. Ein anderer Mann aus der Gruppe sagte demnach zu dem Angegriffenen: »Leg Dich bloß nicht mit dem an, der ist nämlich Polizist.«

In einem Interview mit Radio Dreyeckland berichtete der Attackierte, er habe gerade kein Handy dabei gehabt, um die Polizei zu rufen. Er habe aber ein Dutzend Personen, die die Szene beobachteten, vergeblich um Hilfe gebeten. Lediglich eine etwa 70-jährige Frau habe versucht zu deeskalieren. Der Angegriffene wurde jedoch weiter durch die Straßen Freiburgs gejagt. Er traf auf eine andere Gruppe von Männern, die er ebenfalls um Hilfe bat. Diese sind jedoch mit seinen Verfolgern bekannt und bedrohen ihn zusätzlich. Dann kann er in eine Tankstelle flüchten und von dort die Polizei informieren, während die Täter zunächst in eine Kleingartenanlage verschwinden.

Als die Polizei endlich vor Ort ist, muss sich der Lette zunächst einem Alkoholtest unterziehen, der negativ ausfällt. Anschließend werden seine Sachen gründlich untersucht. Die Polizisten beschuldigen ihn, die Angreifer als »Scheißnazis« bezeichnet zu haben. Dies sei eine Beleidigung und damit eine Straftat. Gegen das Opfer wird unverzüglich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Kurz darauf trafen sich diese Beamten mit dem mutmaßlichen Haupttäter. Der Angegriffene beobachtete, wie einer von ihnen diesem zur Begrüßung den Arm auf die Schulter legte. Die »Badische Zeitung« berichtete am Freitag, die Polizei Freiburg habe bestätigt, gegen den Beamten werde im Zusammenhang mit dem Vorfall »die Einleitung dienstrechtlicher Schritte unter Berücksichtigung des aktuellen Ermittlungsstandes geprüft«. In einer Presemitteilung der Polizei vom Freitag heißt es, man habe wegen einer »Streitigkeit zwischen mehreren Personen« Ermittlungen »gegen aktuell vier Beschuldigte, unter denen sich auch ein Polizeibeamter« befinde, aufgenommen und suche Zeugen.

Rechtsanwältin Angela Furmaniak, bekannt unter anderem durch die Übernahme der Verteidigung mehrerer von Hausdurchsuchungen Betroffener im Zusammenhang mit dem Verbot der Internetplattform indymedia.linksunten, hat die anwaltliche Vertretung des lettischen Staatsbürgers übernommen. Eine juristische Einschätzung des Falles kann sie noch nicht vornehmen. Politisch sei es aber höchst problematisch, dass auch in diesem Fall »Beamte aus dem selben Polizeipräsidium gegen ihre eigenen Kollegen ermitteln«, kritisiert sie im Gespräch mit »nd«. »Für Fälle polizeilicher Übergriffe brauchen wir dringend eine unabhängige Ermittlungsstelle«, sagt die versierte Strafrechtlerin. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, wieso die Polizei in ihrer Pressemitteilung lediglich die Aussagen ihrer Beamten wiedergebe und die Ausführungen des Geschädigten ignoriere.

Am 12. Juni gab es in Freiburg unterdessen einen weiteren rechten Angriff. Nach Angaben der Autonomen Antifa verletzte eine Stunde zuvor der AfD-Gemeinderatskandidat Robert Hagerman mehrere Menschen mit Pfefferspray und stach einen Passanten, der den Verletzten helfen wollte, mit seinem Messer nieder. Die Polizei ließ ihn noch am selben Tag laufen und gab in einer Pressemitteilung allein seine Version der Ereignisse wieder.

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