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Vom Haus der Täter sollen nur die Grundmauern bleiben

Nach dem Ideenwettbewerb für eine künftige Gedenkstätte im frühen KZ Sachsenburg protestieren örtliche Aktivisten und Historiker

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Betonwände voller Namen oder ein Käfig aus Metall: Diese Ideen überzeugten die Jury bei einem Wettbewerb zur Gestaltung der künftigen Gedenkstätte im einstigen Konzentrationslager Sachsenburg. Die von Chemnitzer Architekten vorgeschlagene Auflistung soll an die bisher namentlich bekannten Häftlinge erinnern. Der von einem Saarbrücker Büro ersonnene Käfig spielt auf das Gedicht »Der Panther« von Rainer Maria Rilke an. Beiden Ideen ist gemeinsam, dass sie auf den Grundmauern der früheren Kommandantenvilla errichtet werden, die ansonsten aber verschwinden soll. Diese Pläne sorgen jetzt bundesweit für Proteste. In einem Brief äußern sich namhafte Historiker »irritiert«.

In Sachsenburg unweit von Chemnitz errichteten die Nazis kurz nach der Machtergreifung im April 1933 in einer Spinnerei ein Lager, in dem in den folgenden vier Jahren bis zu 7200 politische Gegner und anderweitig Missliebige eingesperrt und schikaniert wurden. Seit Jahrzehnten gibt es Bemühungen, am Ort eine würdige Gedenkstätte zu errichten. Allerdings gibt es neben dem heute in Privatbesitz befindlichen Fabrikgebäude nur wenige authentische Plätze, die an das als »Vorhölle« von Buchenwald bezeichnete frühe KZ erinnern. Einer davon ist die Kommandantenvilla, in der die Führung des Lagers residierte. Sie sei »einer der wenigen noch erhaltenen Täterorte in einem frühen KZ« und sollte als solcher für die Erinnerungsarbeit genutzt werden, heißt es in dem offenen Brief der Historiker.

Problematisch ist, dass die Villa in einem sehr schlechten baulichen Zustand ist und etwa die Holzteile komplett von Pilz zerfressen sind. Die Stadt Frankenberg als Eigentümerin des Areals beschloss deshalb im Jahr 2015, sie abreißen zu lassen. Diese Pläne waren freilich ein maßgeblicher Grund dafür, dass im Jahr 2018 ein Antrag auf finanzielle Förderung beim Bund scheiterte. Dort war von einer »unwiederbringlichen Zerstörung von Zeugniswerten« die Rede. In den nächsten Wochen soll ein neuer Förderantrag eingereicht werden. Zur Vorbereitung hatten die Stadt und die Stiftung Sächsische Gedenkstätten den Wettbewerb ausgelobt, der einen Architekturentwurf für den Umgang mit dem Gebäude erbringen sollte. Der Siegerentwurf solle »wesentlicher Teil des Gedenkstättenkonzepts« werden, sagte Mykola Borovik, bei der Stadt angestellter wissenschaftlicher Projektmitarbeiter, erst unlängst beim jährlichen »Sachsenburger Dialog«.

Davor warnen langjährig Engagierte nun aber eindringlich. Man könne »die Entscheidung der Jury nicht nachvollziehen«, sagt Anna Schüller von der Geschichtswerkstatt Sachsenburg, die sich gemeinsam mit einer Lagerarbeitsgemeinschaft seit Jahren ehrenamtlich um eine Gedenkstätte bemüht. Die Umsetzung eines der beiden erstplatzierten Entwürfe bedeute, dass »das einmalige Ensemble des KZ Sachsenburg durch den Abriss der Villa unwiederbringlich zerstört« würde. Josephine Ulbricht von der sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft »Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus« ergänzt, der Abriss »gefährdet die Finanzierung durch Land und Bund und damit die Errichtung der Gedenkstätte«. Das sei spätestens seit 2018 bekannt: »Dieser Fehler darf nicht noch einmal wiederholt werden.«

Auch der Brief der Historiker fordert, über »andere Optionen für den Umgang mit dem Gebäude nachzudenken, als sie die erst- und zweitplatzierten Entwürfe vorsehen«. Die Kommandantenvilla erlaube die »Auseinandersetzung mit den Tätern, ihren Biografien, Weltbildern und Handlungsoptionen«, was in jüngster Zeit ein wichtiger Aspekt von Gedenkstättenarbeit geworden sei. Zu den Unterzeichnern des Briefs gehören zum Beispiel Jens-Christian Wagner von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Wolfgang Benz vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, Uwe Neumärker von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und Micha Brumlik vom Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg.

Die Historiker sehen bessere Vorschläge auch unter den 64 Wettbewerbsbeiträgen. Die Entwürfe auf den Plätzen 3 bis 5 zeigten, dass ein weitgehender Erhalt der Bausubstanz der Villa »nicht nur möglich und finanzierbar, sondern auch fachlich und sachlich überzeugend« sei. Auch Geschichtswerkstatt und Lagerarbeitsgemeinschaft halten den drittplatzierten Entwurf für geeignet. Architekten aus Berlin und der Schweiz wollen das Mauerwerk der Villa vom Putz befreien, innen mit Beton ausgießen und einen »Echoraum der Geschichte« entstehen lassen.

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