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Erster Schritt zu neuer Milliardenpleite
Die Verträge zu Westeuropas größtem Rüstungsprojekt sind schwammig - Gelder fließen trotzdem
Zu spät, zu teuer und weniger leistungsstark als bestellt - so funktioniert Rüstung. Auf Kosten der Steuerzahler, zum Wohle einiger Aktionäre und zunehmend multinational. Der A400M-Transporter, der NH-90- oder die «Tiger»-Hubschrauber haben gezeigt, wie man sich im Verbund gegenseitig Beine stellen kann.
Kaum anders wird es wohl beim Future Combat Air System (FCAS) laufen. Es handelt sich um ein Rüstungsprogramm, das verschiedene Waffensysteme vereint und ein wichtiger Schritt zur vernetzten und automatisierten Kriegsführung ist. Entwickelt wird ein Kampfjets der 6. Generation. Im Verbund mit bewaffneten Drohnen und durch Echtzeit-Datenkommunikationen mit anderen militärischen Systemen in der Luft, auf dem Boden, über See oder im Weltraum soll es für Überlegenheit sorgen.
Auf Computerbildschirmen fliegen die Hightech-Maschinen, in der Realität die Fetzen. Mitte der 1980er Jahre war schon einmal ein deutsch-französischer Versuch zur Entwicklung eines gemeinsamen Kampfflugzeuges gescheitert. Nachdem man auch mit anderen EU-Staaten Verträge ausgearbeitet hatte, konnten sich die Partner nicht über Ausstattung, Systemführerschaft und Arbeitsanteile einigen. Frankreich entwickelte fortan seine «Rafale», Deutschland baute unter anderem mit Großbritannien und Spanien den «Eurofighter».
2017 versprach der französische Präsident Emmanuel Macron eine «tiefgreifende Revolution», als er zusammen mit der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das FCAS-Projekt etablierte. Doch das Vorhaben ist alles andere als eine freiwillige Industriekooperation. Nachdem Macron und Merkel im Februar angeblich gehörig Druck gemacht hatten, legten die beiden wichtigsten Kooperationspartner - Dassault Aviation und Airbus Defence and Space - Streitigkeiten beiseite und einen konkretisierten Plan vor. Beim deutsch-französischen Ministerratstreffen Ende Mai zeigte sich Macron überzeugt, dass FCAS die bilaterale Industriekooperation im Bereich Verteidigung im kommenden Jahrzehnt prägen werde. Auch als Modell für andere militärische Entwicklungen. Merkel reagierte deutlich reservierter. Die Verhandlungslösung sei «alles andere als einfach, aber ein Beispiel dafür gewesen, wie »Deutschland und Frankreich auch komplizierte Situationen gut lösen können«.
Auch der Chef der Deutschen Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, der jüngst mit seinen Kollegen aus Frankreich und Spanien die beiden Hauptauftragnehmer sowie das spanische Indra-Unternehmen besuchte, sprach von »schwierigen Verhandlungen«. Doch FCAS sei »ohne Alternative, wenn wir uns in Europa eine Unabhängigkeit bewahren wollen«. Wichtig dabei sei: Man stärke die gemeinsame Verteidigung und sichere Schlüsseltechnologien in Europa.
Warum kommt in der Wirtschaft trotz des angeblich gefundenen Kompromisses kein Jubel auf? Die deutsche Luftfahrtindustrie und deren Zulieferer fühlen sich weiter benachteiligt. So kamen vor wenigen Wochen Experten des Koblenzer Bundeswehr-Beschaffungsamts in einem internen Bericht zu dem Schluss, dass der Vertrag mit Frankreich und Spanien »aus technisch-wirtschaftlicher Sicht nachverhandelt werden muss«. In aktueller Form sei er »nicht zeichnungsreif«. Die geltenden Strukturen und Regeln berücksichtigten »nahezu ausschließlich französischen Positionen«.
Ressentiments finden sich auch auf französischer Seite. Dassault hat objektiv eine gewisse Führungsrolle bei FCAS, weil das Unternehmen derzeit das einzige in Westeuropa ist, das die Tarnkappentechnologie annähernd beherrscht. Das Unternehmen befürchtet gerade deshalb, technologisch »gemolken« zu werden, also durch Kooperation mehr zu verlieren, als es gewinnen kann. Zwar ist der deutsche Wunsch nach uneingeschränkter Nutzung der Forschungsergebnisse auch für andere Projekte vom Verhandlungstisch genommen worden, dafür sieht Dassault nun aber eine andere Gefahr. Airbus sei durch Deutschland und Spanien national zweifach vertreten. So werde der französische Spielraum eingeschränkt. Dass Großbritannien und Italien, die derzeit mit Schweden ein vergleichbares Projekt namens »Tempest« vorantreiben, sich - wie nicht nur General Gerhartz hofft - »zu gegebener Zeit« an FCAS beteiligen könnten, macht die Bedenken der französischen Industrie nicht geringer.
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Auch divergierende sicherheitspolitische Interessen, die technische Auswirkungen haben, bremsen die Kooperation der drei Nato-Herstellerländer. Als Kampfsystem der Zukunft wirft FCAS zentrale und in Deutschland aus der Öffentlichkeit weitgehend verdrängte Fragen der Entwicklung von autonomen Waffensystemen auf. Zudem geht es um die Frage der atomaren Bewaffnungsfähigkeit. Deutschland ist Teil der US-dominierten Nuklearen Teilhabe der Nato. Bislang sollten deutsche »Tornados« im Ernstfall US-Nuklearwaffen über fremden Staaten abwerfen. Demnächst werden dafür in den USA gekaufte F-18-Bomber vorgehalten.
Für Frankreich aber ist die »Force de frappe«, also die nationale Atombombenmacht, elementarer Bestandteil seiner nationalen Souveränität. Dass das Future Combat Air System ab 2040 französische wie - mit Washingtons Lizenz - US-Atomwaffen trägt, ist technisch sicher machbar, politisch jedoch derzeit unvorstellbar.
2027 soll der FCAS-Prototyp flugfähig vor dem Hangar stehen, 2040 will man das System in den Einsatz bringen. Selbst wenn diese Ziele erreicht werden sollten, kommt das Future Combat Air System vermutlich zu spät, um die erwarteten Exportgewinne zu generieren. Es gibt längst weit vorangeschrittene Entwicklungen in den USA, in die auch andere Staaten eingebunden sind.
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Das deutsche Parlament soll in den kommenden Jahren rund 4,5 Milliarden Euro für das FCAS freigeben. Bereits an diesem Mittwoch wird im Haushaltsausschuss der Abschluss eines Vertrages mit einem Volumen von mehr als 25 Millionen Euro aufgerufen. Es geht um Forschungs- und Technologieaktivitäten im Rahmen der gemeinsamen Entwicklung und Beschaffung eines zukünftigen Kampfflugzeugsystems »Next Generation Weapon System« in einem »Future Combat Air System (FCAS)« für den Zeitraum 2021 bis 2027. Zwar warnt der Bundesrechnungshof höchst detailliert und moniert, dass »dem Parlament noch kein endverhandeltes Vertragswerk vorgelegt werden kann«. Doch solche »kleinlichen Bedenken« wird die Regierungsmehrheit sicher mit neuerlichen Warnungen vor der »Gefahr aus dem Osten« beiseiteschieben.
In der Tat werden in Russland bereits vergleichbare Tötungsmaschinen getestet. Moskau führt Su-57-Tarnkappen-Jets in die Truppe ein und will ihnen in ein paar Jahren jeweils bis zu vier »Ochotnik«-Kampfdrohnen zuordnen. Einem neuen Aufschwung des Wettrüstens steht also nichts im Wege. Weder im Osten noch im Westen.
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